Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
gerade abgeht.«
»Die nicht wissen, was gerade abgeht? Wo sie doch so schnell sind, dass sie eine Fliege im Flug ficken?« Er wendet sich an Mauricio: »Bist du sicher, dass alles geritzt ist?«
»Ja, Ruso. Die Verträge sind unterzeichnet. Salvatierra hat Pittilanga mit nach draußen genommen, um ihm alles zu erklären, und ich hab mich in der Zwischenzeit um die letzten Details gekümmert.«
»Und die haben keinen Stress gemacht?«
Mauricio sieht ihn spöttisch an, als hätte er eine allzu offensichtliche Frage gestellt.
»Klar haben die Stress gemacht. Die haben sich fürchterlich aufgeregt, mir gedroht, sie würden abreisen.«
»Hab ich gleich gesagt: merkwürdige Typen! Und dann?«
»Dann wurde es ganz schön heftig. Ich musste so einiges über mich ergehen lassen.«
»Sag bloß. Und wie hast du reagiert?«
»Ruhig. Weißt du, ich wurde in letzter Zeit so oft beschimpft, dass ich mich daran gewöhnt habe.«
Obwohl er niemand Bestimmten ansieht, ist klar, dass er Fernando meint, der lieber zum Fenster hinausschaut.
»Und dann?«, fragt Ruso schnell, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
»Als sie gesehen haben, dass ich ums Verrecken nicht nachgebe, dachten sie, das stimmt, was Fernando gesagt hat: dass die Kanzlei das Geschäft durchkreuzen wollte, damit Pittilanga die Freigabe erhält, nur um ihn einige Monate später für ’n Appel und ’n Ei zu kaufen (den Teil hatte der Übersetzer offenbar verstanden, was sich daran zeigte, dass sie später noch mal darauf zu sprechen kamen: An der Stelle habt ihr mich ja auch laut und deutlich ein Riesenarschloch genannt). Sie haben sich zurückgezogen, ein bisschen getuschelt und die Sache durchgerechnet.«
»Und du?«
»Nichts. Äußerlich ruhig, innerlich gespannt wie ein Flitzebogen.«
»Am Ende haben sie zugegriffen. Ich hab Polaco auf dem Handy angerufen, der wiederum hat mit Pittilanga gesprochen. Dann sind beide zurückgekommen, und der Junge hat unterschrieben. Zum Glück hatte er sich beruhigt und mich nicht noch mal verprügelt.«
»Hat er dir wirklich wehgetan?«, fragt Ruso zweifelnd.
Statt zu antworten hebt Mauricio sein Hemd an und zeigt seinen Brustkorb, der unter der Achsel rot ist, als wäre er abgeschabt worden.
»Stimmt, hat ganz schön zugelangt«, gibt Ruso zu, dem seine leichtfertige Bemerkung von eben offenbar leidtut. Fernando sieht weiterhin aus dem Fenster.
»Dann haben alle unterschrieben, und fertig war der Salat. Es fehlen noch ein paar Details. Und die Kohle muss noch bezahlt werden. Aber die Sache ist durch.«
Stille tritt ein. Der Kellner bringt den Kaffee, den Mauricio per Zeichensprache bei ihm bestellt hat. Cristo nutzt das Schweigen, nimmt all seinen Mut zusammen und räuspert sich, bevor er die entscheidende Frage stellt.
»Und wie viel hast du rausgeholt?«
Mauricio kostet den Moment aus. Sieht alle an, auch Fernando, der sich ihm zugewandt hat. Seine Augen leuchten. Vor Stolz, denkt Cristo. Oder so was Ähnlichem.
»Vierhundertzwanzigtausend Dollar«, sagt er schließlich und leert ein Zuckertütchen in seine Tasse. »Netto.«
Die anderen brauchen eine Weile, um die Zahl in den Platzhalter einzutragen, der sie zwei lange Jahre lang so viele Nerven gekostet hat. Wie immer ist Ruso der Erste, der reagiert.
»Das ist ja großartig! Und die Kommission für den Jungen?«
»Zahlen die Araber. Wir kriegen vierhundertzwanzigtausend netto.«
»Ich kann’s noch gar nicht glauben. Endlich hat mal was geklappt!«
»Mit Polaco hab ich mich auf dreißigtausend geeinigt. Bermúdez kriegt vierzigtausend. Uns bleiben also dreihundertfünfzigtausend, wenn ich richtig gerechnet habe«, fügt Mauricio hinzu.
Wieder schweigen alle. Fernando nimmt eine Serviette aus dem Halter und rechnet. Die anderen sehen zu. Tausend mal zwölf mal elf: einhundertzweiunddreißigtausend. Er kringelt die Zahl ein. Das ist die Summe, die sie an Lourdes auszahlen werden, bis sie einundzwanzig ist. Dann rechnet er weiter. Dreihundertfünfzigtausend minus einhundertzweiunddreißigtausend: zweihundertachtzehntausend. Wieder umkringelt er die Zahl. Das ist die Summe, die Lourdes kriegt, wenn sie volljährig wird. Mauricio muss lachen, ebenso Ruso. Fernando hingegen bleibt so ernst, dass es fast schockierend ist.
»Was ist denn mit dir los?«, fragt Ruso, der es bemerkt hat.
»Mit mir«, antwortet Fernando, ohne den Blick zu heben. »Nichts. Ich bin eben überrascht.«
»Du machst ein Gesicht wie auf einer Beerdigung,
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