Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
hier?«
Mónica antwortet nicht. Sie sieht ihn nur streng an und hält ihm einen Brief hin. Ruso erkennt, dass es sich um ein Einschreiben handelt.
»Ach so, das. Mach dir keine Sorgen, Moni. Der ist von den Leuten, denen der Laden in Morón gehört. Das habe ich neulich mit Mauricio besprochen. Er sagt, ich soll mir keinen Kopf machen.«
»Nein«, sagt seine Frau, die ihm nach wie vor das Schreiben hinhält. »Das ist ein Kontoauszug unserer Kreditkarte.«
Ruso bleibt nichts anderes übrig, als sich das Schreiben anzusehen. Die Formulierungen ähneln sich: Mahnung, erlauben wir uns, bla, bla, bla.
»Trotzdem.«
Mónica schweigt, sieht über die Schulter von Ruso hinweg Chamaco an, der spürt, dass sein Typ nicht gefragt ist, und den Rückzug in Richtung Waschanlage antritt.
»Wie lange wollen wir noch so weitermachen, Daniel?«
Ruso erwägt verschiedene Antworten.
»Was meinst du mit › so weitermachen ‹ ?«, murmelt er schließlich. Kaum hat er es gesagt, wird ihm klar, dass es keine gute Wahl war.
»Willst du mich veräppeln? Merkst du denn gar nicht, was los ist?«
»Doch, schon …«
»Uns stehen die Schulden bis zum Hals! Und du tust so, als wär nichts, Daniel!«
»Wieso sagst du das?«
»Weil du hier seelenruhig mit einem Angestellten PlayStation spielst. Darum, verdammt!«
Ruso schluckt. Mónica flucht sonst nie, und wenn sie flucht, muss sie auf hundertachtzig sein.
»Das mit der PlayStation –«
»Wir nagen bald am Hungertuch, und du spielst mit der PlayStation! Du hast zwei Töchter, Daniel! Zwei Töchter! Wie lange willst du noch so weitermachen?«
Vor lauter Unbehagen wechselt Ruso das Standbein. Er streckt die Hand aus.
»Jetzt sei doch nicht so, Moni. Irgendwann wird das Geschäft schon laufen.«
»Es reicht, Daniel! Hör auf, dich selber zu belügen! Von wegen irgendwann! Merkst du nicht, dass du das Geschäft in den Sand setzen wirst? Genau wie alle anderen zuvor?«
»Werd ich nicht.«
»Wirst du doch! Ein Geschäft, bei dem der Besitzer mit seinen Angestellten PlayStation spielt: Wie lange wird sich das deiner Meinung nach halten? Na?«
»Was soll ich denn sonst tun, während wir auf Kunden warten?«
»Wir stehen kurz vor dem Ruin. Kapierst du das, Daniel?«
Ruso hat immer noch die Hand ausgestreckt, zeigt nach draußen, aber ihm fällt nicht ein, was er erwidern könnte. Auf dem Parkplatz überprüft Cristo gerade einen schwarzen Toyota. Chamaco und Molina sitzen auf der Bank und warten auf den nächsten Kunden. Ruso kann nichts Schlechtes an dem Geschäft erkennen. Es läuft mau, ja, aber es muss eben erst ins Rollen kommen. Genau das sagt er auch stammelnd zu Mónica, aber sie schneidet ihm das Wort ab.
»Es reicht. Ich kann nicht mehr. Ich habe immer alles mitgemacht. Alles. Aber jetzt ist Schluss. Wenn du es schon nicht um meinetwillen einsiehst, dann wenigstens um der Mädchen willen.«
Tränen treten ihr in die Augen. Ruso wäre am liebsten tot umgefallen. Für ihn gibt es nichts Schlimmeres, als seine Frau weinen zu sehen. Dann kommt er sich vor wie ein Fiesling. Er will schon den Thekentisch hochklappen, um zu ihr zu gehen, aber sie hebt die Hand und stoppt ihn.
»Bleib, wo du bist. Bitte. Ich will nur eins.« Sie zeigt vage in Richtung Waschanlage. »Wenn dir irgendwas an uns liegt, tu was.«
Bevor er antworten kann, knallt sie die Tür so heftig hinter sich zu, dass die Plexiglasscheibe wackelt. Ruso kratzt sich am Kopf und sieht sich um. Er begreift nicht, warum Mónica so pessimistisch ist. Stimmt, das Geschäft läuft schleppend an, aber das ist doch kein Grund zur Panik. Es wird schon noch werden. Sein Blick fällt auf den Bildschirm. Die Partie steht auf Pause. Er fragt sich, ob es gut oder schlecht wäre, wenn er jetzt Chamaco ruft, um sie zu Ende zu spielen. In diesem Augenblick erinnert er sich an Mónicas Tränen, und er schaltet den Apparat aus. In letzter Zeit erteilt ihm das Leben einige drastische Lektionen: dass Freunde nicht ewig leben und dass auch Mónicas Geduld nicht ewig hält.
13
Fast ein Jahr lang hängt Fernando sich voll rein. Er will Pittilanga unbedingt verkaufen. Wenn Journalisten über Spielertransfers schreiben, heißt es oft, dieser oder jener Spieler sei diesem oder jenem Club, dieser oder jener Investorengruppe, diesem oder jenem Trainer »angeboten« worden. Fernando hat das schon immer schockierend gefunden. In seinen Ohren klingt »anbieten« nach Erniedrigung, nach Hehlerei, nach Ausbeutung. Aber nach sechs
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