Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
Mauricio …«
»Mit einem Schuss Milch und Süßstoff.«
»Mit einem Schuss Milch und Süßstoff.«
Williams legt auf. Mauricio nimmt sich fest vor, dass er es irgendwann hinkriegen wird, auch so eine verdrießliche Souveränität an den Tag zu legen.
Williams lächelt. »Gestern war ich im Justizpalast und habe zufällig Coco Sanlúcar getroffen. Er hat mir nur Gutes über dich berichtet.«
Mauricio setzt ebenfalls ein Lächeln auf, das bescheiden wirken soll. »Ganz schön komplizierte Angelegenheit.«
»Coco meint, du hättest die Sache perfekt durchgezogen. Er sagt …« Williams hält inne, als die Sekretärin mit dem Tablett eintritt. Obwohl es nichts zu verbergen gibt, gefällt Mauricio dieses Verstummen. Irgendwie bekommt Sanlúcars Lob dadurch etwas Persönlicheres.
»Tito, sagt er zu mir – ein schrecklicher Spitzname, aber Coco und ich kennen uns seit der Schule, was soll ich machen, da muss ich durch –, er sagt also zu mir, dieser Junge, der den Fall Naviera Las Tunas bearbeitet, macht seine Sache ausgezeichnet.«
»Danke, Humberto.«
Williams nippt nur kurz an seinem Kaffee und stellt ihn wieder auf die Untertasse. »Nichts zu danken, mein Lieber. Dieses Lob hast du dir redlich verdient. Sag mal«, fährt er fort und sieht ihn an, zum ersten Mal, seit Mauricio das Büro betreten hat, »was hältst du eigentlich von diesem Sabino?«
Mauricio wundert sich. Ist fast enttäuscht. Er hätte gern weiterhin im Mittelpunkt gestanden, das Lob von Richter Sanlúcar noch eine Weile genossen. Aber er fängt sich schnell wieder.
»Macht seine Sache gut. Ist verantwortungsbewusst, engagiert … Kein Grund zur Klage.«
»Sehr schön. Ich möchte, dass du ihn weiter unter deine Fittiche nimmst. Ihm unter die Arme greifst.«
Mauricio muss sich zusammenreißen, um nicht nach dem Grund zu fragen, aber es erscheint ihm klüger, sich damit abzufinden, dass Williams ihm etwas verschweigt. Es wäre schön, wenn er sagen würde: Nimm Sabino ein bisschen härter ran. Wir wollen dich nämlich bald zum Partner machen, und dann muss er deine Kunden übernehmen. In dem Fall könnte er nämlich seiner Freude offen Ausdruck verleihen, seinem Chef überschwänglich die Hand schütteln oder die Arme hochreißen wie ein Fußballspieler, der gerade ein Tor geschossen hat. Aber derartige Gefühlsausbrüche sind in Williams Welt verpönt. In dessen Welt ticken die Uhren anders. In dessen Welt zählt vor allem Eleganz. Leute wie Williams müssen nicht beweisen, dass sie überlegen sind. Vielmehr sehen sie ihre Überlegenheit als gottgegeben an. Als eine Art Naturrecht. Daher auch diese natürliche Verdrießlichkeit. Mauricio kann sich noch so viel Mühe geben: Er kriegt es einfach nicht so gut hin. Weil er in Castelar aufgewachsen ist und sein Vater Bankangestellter und seine Mutter Grundschullehrerin war. Egal. Irgendwann wird er es schon noch lernen.
12
Ruso weiß, dass es nicht leicht wird. Das Hinspiel hat er drei zu eins verloren, und Chamaco hat sich ein System mit vielen Verteidigern ausgedacht, da ist kaum ein Durchkommen. Hinter ihm klopft jemand auf die Theke, um bedient zu werden. Ohne die Finger vom Joystick zu nehmen oder auch nur die Augen vom Bildschirm, ruft er Cristo zu, er soll sich um den Kunden kümmern. Das ist der entscheidende Moment. Sein tödlicher Spielzug, wie er es nennt. Sein Stilettstoß. Rechter Außenstürmer rennt durch bis zur Grundlinie, schlägt einen Haken, dribbelt in den Strafraum. Schießt aufs lange Eck. Ruso muss sich beeilen, ein Eins-zu-null reicht nicht. Er schaut kurz zu Chamaco. Der Blitz soll ihn treffen. Der Junge ist ein Günstling der Götter. Ein Superstar der PlayStation. Wieder klopft jemand auf die Theke.
»He, Cristo! Bist du taub oder was? Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin!«
In diesem Moment schaut Chamaco zum Empfang und erstarrt. Ruso sieht es nicht, weil er kurz vor der Vollendung seines Spielzugs steht. So konzentriert ist er, dass er nicht bemerkt, dass sein Gegner den Joystick losgelassen hat. Rusos Stürmer dringt in den Strafraum ein, umspielt zwei Verteidiger und schießt ein Tor. Ruso jubelt und sieht Chamaco triumphierend an. Erst da fällt ihm auf, dass der Junge gar nicht mehr spielt, sondern über seine Schulter zur Theke schaut. Er dreht sich um.
Hinter dem Empfang steht Mónica. Ruso erstirbt der Schrei auf den Lippen, und jeglicher Gedanke in seinem Kopf erlischt. Er steht auf und geht zu seiner Frau.
»Hallo, Schatz. Was machst du denn
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