Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
nicht vor ihrer Enkelin in Tränen ausbricht. Die drei anderen Treffen verlaufen entspannter. Schade, dass sie sich nicht öfter sehen können, dass die Mutter des Mädchens ihnen das Leben so schwer macht.
Beim vierten Mal haben zufällig die Rusitas Geburtstag, also nimmt Fernando seine Nichte mit zu Ruso, damit die anderen sie auch mal wieder sehen, damit sie ein bisschen Zeit miteinander verbringen, damit die Verbindung nicht ganz abreißt, wenn sie nicht schon längst abgerissen ist, wie Fernando fürchtet, als er Guadalupe, die auf dem Rücksitz eingeschlafen ist, abends wieder nach Hause bringt.
Bei einem ihrer seltenen Treffen zu dritt schlägt Ruso vor, mal wieder zusammen ins Stadion zu gehen. Fernando zögert, während Mauricio sofort ablehnt, mit dem Argument, Independiente spiele im Augenblick so schlecht, dass man nicht mal Lust habe, den Wagen aus der Garage zu holen. Ruso, der sich leicht den Wind aus den Segeln nehmen lässt, gibt ihm Recht, und Fernando kommt sich wie ein Idiot vor, weil er gezögert hat, weil er, hätte Mauricio ja gesagt, seinen Stolz runtergeschluckt hätte, alles runtergeschluckt hätte, was sich seit ihrem Streit angehäuft hat, und trotz allem mitgekommen wäre.
In diesem Herbst und Winter regnet es praktisch nicht. Der Rasen in den Stadien der dritten Liga gleicht einer Steppe, auf der nur an der Eckfahne ein bisschen Gras wächst. Halb im Scherz, halb im Ernst deutet Ruso die Dürre als Prüfung, die Jahwe ihnen auferlegt. Im April hat eine Waschanlage in Morón dichtgemacht, im Juni zwei weitere in Castelar. Er und Cristo sind sich sicher, dass damit die Talsohle durchschritten ist. Wenn Fernando sich die beiden vorstellt, wie sie, den Joystick in der Hand, die Makro- und Mikrovariablen des Geschäfts analysieren, ist ihm manchmal zum Lachen zumute, manchmal zum Weinen. Während Ruso seine Analyse mit großem Gestus vorträgt, zwinkert Mauricio Fernando verschwörerisch zu, was Fernando insgeheim wütend macht, weil er genau weiß, dass Mauricio in seiner Abwesenheit mitleidige Blicke mit Ruso tauscht, um Fernandos vergebliche Bemühungen zu kommentieren.
Mauricio geht es wie immer, sprich: besser denn je. Man hat ihm das Gehalt erhöht und zu verstehen gegeben, dass seine Beförderung zum Partner kurz bevorsteht. Fernando und Ruso fragen erst gar nicht, um welche Summe es geht, bekommen aber eine Ahnung, als Mauricio am Geburtstag der Rusitas mit einem schwarzen Audi vorfährt, den sie bis dahin nur im Schaufenster eines Autohauses gesehen haben. Im September hat Mauricio die Idee, Blumen auf den Friedhof zu bringen, weil am Zwölften Monos Geburtstag gewesen wäre. Vor lauter Wut hätte Fernando sich am liebsten geweigert. Für solche postumen Ehrungen, die nichts nützen, setzt Mauricio sich ein, aber wenn es darum geht, Flagge zu zeigen bei Sachen, die wirklich hilfreich wären, kneift er. Fernando gesteht sich ein, dass er nur deshalb so sauer ist, weil es nicht seine Idee war, wo er doch der Bruder des Verstorbenen ist. Weil aber Ruso Feuer und Flamme ist, muss er die Kröte schlucken und zustimmen.
Zu allem Übel fängt es am zehnten September auch noch an zu regnen und hört bis zum dreizehnten September abends nicht mehr auf, wodurch der Friedhof grau und matschig ist. Der Anblick zerreißt ihm fast das Herz. Zwar spricht er mit den anderen nicht darüber, aber er ist sich sicher, dass es ihnen ganz genauso geht.
Manager
Polaco Salvatierra war der jüngste von drei Brüdern und wuchs bei Fernando und Mono um die Ecke auf, nur eine Querstraße entfernt. Seine Mutter, eine großgewachsene Spanierin, führte ein eisernes Regiment, ohne dass je etwas von einem Ehemann bekannt geworden wäre, der ihr zur Seite gestanden hätte. Polaco war also gar kein Pole, stammte auch nicht von einem Polen ab, wusste wahrscheinlich nicht einmal, wo Polen lag. Aber er war blond, so dermaßen blond, dass sein Haar fast durchsichtig wirkte. Und er hatte blaue Augen und eine schneeweiße Haut. Den Spitznamen hatte er von Mono, der mit zehn Jahren felsenfest davon überzeugt war, dass Salvatierra genauso aussah wie die Spieler der polnischen Nationalmannschaft bei der WM 1978. Und weil Salvatierra sich nicht wehrte, blieb es für alle Zeiten bei diesem Spitznamen: Polaco.
Salvatierra wuchs im Viertel auf und spielte in den Jugendmannschaften von Ferro, ohne einen größeren Eindruck zu hinterlassen. In der A-Jugend war dann Schluss, was sich für ihn als Glücksfall entpuppte.
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