Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
noch schlechter als er. Bis auf zwei oder drei vielleicht, die wendiger wirken, die auch mal ein Dribbling wagen, den Gegenspieler umlaufen. Jedenfalls scheint sich wegen Pittilangas Schwächen keiner einen Kopf zu machen. Für diese Jungs ist die dritte Liga das Ende der Fahnenstange. Und das wissen sie. Das Problem ist nur, dass Pittilanga dreihunderttausend Dollar wert ist, weit mehr als jeder andere Spieler von Atlético Mitre. Eigentlich, korrigiert sich Ruso selbst, ist auch Pittilanga sie nicht wert.
Eine halbe Stunde lang lässt Ruso das langweilige Training über sich ergehen – das Bermúdez ab und zu unterbricht, um Anweisungen zu geben und auf Fehler hinzuweisen –, schielt aber immer wieder verstohlen zu einem älteren Herrn, der zwei Meter weiter rechts sitzt und Mate trinkt.
»Entschuldigung, Don«, spricht er ihn schließlich höflich an, als er es nicht mehr aushält. »Wollen wir uns zusammentun? Ich kauf uns etwas Gebäck, und Sie bieten mir von Ihrem Mate an.«
Der Alte willigt ein, und Ruso geht ins Clubcafé, um Gebäck zu kaufen.
Nach der vierten oder fünften Runde Mate weiß er in etwa Bescheid über den Mann: geboren in La Banda, pensionierter Beamter der Stadtverwaltung, vier Söhne und sieben Enkel, Enkel Nummer sechs spielt als linker Verteidiger bei Mitre.
»Und was führt Sie hierher?«, fragt ihn der Alte seinerseits.
Ruso erzählt, dass ihm ein Teil der Transferrechte an Pittilanga gehört.
»Stimmt es, dass er mal in der U-20 gespielt hat?«
»In der U-17. Bei der WM in Indonesien.«
»Und was ist dann passiert?«
Ruso lächelt, aber eher lustlos. »Tja, so ist das manchmal im Fußball.«
»Stimmt«, pflichtet der Alte ihm bei und klopft das Mategefäß an die Kante der Tribünenstufe, damit die feuchten Teeblätter sich lösen.
Ruso denkt, dass der Alte guten Mate zubereitet, und spricht es auch laut aus. Der Alte lächelt.
In diesem Moment pfeift Bermúdez das Spiel ab und erklärt das Trainig für beendet. Ruso steigt die Ränge hinunter, um Pittilanga zu begrüßen. Der ist überrascht, ihn zu sehen, und deutet, ganz gegen seine Gewohnheit, ein Lächeln an. Ruso begreift, dass Pittilanga auf gute Neuigkeiten hofft, also erläutert er lieber schnell, auch wenn es ihm ein bisschen leidtut, dass er nur gekommen ist, um ihn mal wieder zu sehen und ihn zu fragen, wie’s ihm so geht, ob er was braucht. Sie plaudern ein bisschen über dies und das, geben sich die Hand. Ruso verspricht, bald wieder vorbeizuschauen.
Dann geht er ins Zentrum zurück und schlägt die Zeit tot. Er schlendert auf dem begrünten Hauptplatz umher, anschließend durch die Fußgängerzone. Er besucht zwei Kirchen, isst etwas. Um zehn Uhr abends macht er sich auf zum Busbahnhof, und um elf besteigt er den Bus, der ihn zurück nach Buenos Aires bringt.
Flattererhaft
Im März 2004 wurde Mono von der Geschäftsleitung des Schweizer Unternehmens einbestellt. Man ließ ihn Platz nehmen und servierte ihm Kaffee. Als er am Abend seinem Bruder und seinem besten Freund von dem Treffen erzählte, sagte er, dass er anfangs das Gefühl gehabt habe, am Abgrund zu stehen. Die Schweizer hätten sein Engagement gelobt, sich selbst beglückwünscht, ihn eingestellt zu haben, sich selbst bewundert für seinen steilen Aufstieg bis hinauf ins Management.
Mono übersetzte die Lobhudelei für sich in knallharte Fakten: Die wollen mich rausschmeißen. Es kam ihm wie eine Ironie des Schicksals vor, dass er die Entlassungswelle während des Staatsbankrotts 2001 überstanden hatte, nur um drei Jahre später hochkant rauszufliegen. »Die haben dich entlassen?«, fragte Ruso, der normalerweise genoss, wie Mono die Sachen erzählte, aber in diesem Fall vor lauter Neugier nicht an sich halten konnte. »Immer langsam mit den Pferden«, bremste ihn Mono, der seinerseits überzeugt war, dass man alles in Ruhe und so farbenprächtig wie möglich schildern sollte. Die Schweizer hätten sich beklagt, dass dieses Land so flatterhaft sei, fuhr er fort. Oder vielmehr hätte der Chef »flattererhaft« gesagt (der Schweizer habe so seine Probleme mit dem Spanischen gehabt, er habe ihn aber trotzdem verstanden), und dann habe er sich lang und breit darüber ausgelassen, dass man sich an die sich ständig verändernde Situation anpassen müsse. Achtung, Torgefahr!, habe er gedacht, gleich kommt der Schuss. In diesem Augenblick habe der Wortführer unter den Schweizern die Stimme gesenkt – was in Argentinien, der Schweiz oder den
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