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Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Titel: Vier Jungs auf einem Foto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Sacheri
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geschafft, während er seinen Abschluss gemacht hat und erfolgreich in einer Anwaltskanzlei arbeitet. Das gleicht in ihren Augen vieles wieder aus.
    Sie ist also gerade dabei, von den sich ergänzenden Sphären zu erzählen, als die Therapeutin sie höflich unterbricht und fragt, was sie gemeinsam hätten. »Sie beide«, erläutert sie, als Mariel sie verwirrt ansieht. »Ich verstehe sehr gut«, fährt sie fort, »dass jeder seinen eigenen Bereich hat, aber mir ist nicht klar, was Sie miteinander teilen, was Sie gemeinsam angehen, als Paar.« Arme Mariel, denkt Mauricio: Die Tussi hat sie einfach abgewürgt, und jetzt weiß sie nicht, was sie sagen soll. Sie schweigt. Schweigt verwirrt. Mauricio macht keine Anstalten, ihr aus der Klemme zu helfen. Sein eigenes Schweigen und sein dümmlicher Blick haben einen doppelten Vorteil: Einerseits bringt er scheinbar seinen Respekt vor dem zum Ausdruck, was seine bessere Hälfte zu sagen hat; andererseits kann er sich gleichzeitig diebisch freuen, dass Mariel, die so sehr darauf bestanden hat, ihre Probleme vor einem völlig fremden Menschen auszubreiten, sich in dieser unangenehmen Situation wiederfindet.
    Als sie wieder im Auto sitzen, macht Mariel ein Siebentageregengesicht, was Mauricio dazu animiert, sie zu fragen, was sie von der Therapeutin hält. Und tatsächlich: Mariel explodiert, zerreißt die Frau geradezu in der Luft. Was sich diese blöde Kuh einbilde, mit dieser Großkotzigkeit, mit dieser »Ich versteh dich«-Brille, mit diesem Scheißnotizbuch, in das sie wer weiß was notiert. Wie kommt die dazu, daran herumzumäkeln, wie ich meine Beziehung führe? Mauricio beschränkt sich darauf, immer nur zu nicken und in allem ihrer Meinung zu sein. Irgendwann wagt er sogar einen Vorstoß, macht eine sarkastische Bemerkung, die Mariel nicht übel aufstößt, sondern, ganz im Gegenteil, köstlich amüsiert. Am Ende äffen sie gemeinsam die Psychologin nach, ihre sanfte Art, ihr feierliches Gesicht, und lachen sich kaputt.
    Als sie zu Hause ankommen, sind sie regelrecht euphorisch. Mauricio gibt Mariel wie nebenbei einen Kuss, gegen den sie sich nicht wehrt. Sie nehmen sich gegenseitig in den Arm, ziehen sich aus und schlafen miteinander, so hingebungsvoll, dass Mauricio ganz baff ist. Ein Happy End! Die Paartherapie hat sich als Eintagsfliege entpuppt, und der Akteneintrag Soledad ist zwar nicht gestrichen, aber doch im Archiv verstaut. Eines aber hat er gelernt: Er wird nie wieder Kurznachrichten speichern.
    21
    Mit der Waschanlage geht es steil nach oben. Überraschenderweise hat sich Cristo als geborener Unternehmer entpuppt. Es begann damit, dass er den wartenden Kunden Kaffee anbot. Und jetzt, vier Monate später, betreibt er einen gut sortierten Maxikiosk. Und auch die Autowäscher machen ihren Job ausgezeichnet. Die Nachfrage ist so groß geworden, dass Ruso einen weiteren Mitarbeiter einstellen musste. Er hat sich für einen Neffen von Molina entschieden, einen dünnen Lulatsch, der ein so hübsches Gesicht hat, dass alle ihn nur Feo nennen, den Hässlichen.
    Einen Nachteil hat der Erfolg allerdings: Es ist komplizierter geworden mit den PlayStation-Meisterschaften. Sie tun, was sie können, aber zur Rushhour müssen alle schuften, da bleibt keine Zeit. Manchmal spielen sie nach Geschäftsschluss noch zwei Stündchen. Und an Regentagen.
    Feo erweist sich als harter Brocken. Dass aus einem Turnier zu viert eines zu fünft wird, ist noch das geringste Problem. Viel schlimmer ist Feos Spielverständnis, das allen auf die Nerven geht. Er stellt nämlich acht Verteidiger auf. Und nur einen Stürmer. Auch ihr Gentleman’s Agreement interpretiert er auf seine Weise: Jeder Mitspieler hat das Recht, einen Spieler zu erfinden – »zusammenzustellen« im Insiderjargon –, den er mit allen Fähigkeiten ausstatten darf, die ihm so einfallen. Alle – Cristo, Molina, Ruso, Chamaco – basteln sich einen perfekten Stürmer zusammen: wendig, schnell, beidfüßig, gute Schusstechnik. Nicht so Feo. Feo bastelt sich einen Superverteidiger: großgewachsen, muskulös, robust. Und mit diesem Frankenstein macht er jeden Angriff zunichte. Die anderen werfen ihm diese Mauertaktik vor, diesen Catenaccio, diese Ergebnisorientiertheit. Diese hässliche Spielweise, die auf ein Eins-zu-null abzielt. Aber Feo ist das egal, er sagt dann nur, dass naive Schönspielerei eben nicht sein Ding ist, dass er seinen Gegnern lieber den Arsch aufreißt. Und die anderen müssen ihm zähneknirschend

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