Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
ihm sagen, wie gern er ihn hat. Aber er wird einen Teufel tun.
»Nein.«
»Was du über mich denkst: schlimm.«
26
»Zwei Sachen, Mauricio: Sabino sagt, er sei im Fall Muñoz als Kläger zugelassen worden und würde gern einige Punkte mit dir durchsprechen.«
»Okay, Sole, soll vorbeikommen.«
»Halt, stopp. Die zweite Sache: Dein Freund Fernando wartet draußen auf dem Flur.«
»Aha. Lass mich kurz nachdenken.« Mauricio überlegt. Das letzte Mal haben sie sich vor einem Monat gesehen, zu Rusos Geburtstag. Ohne Stress. Distanziert, aber ohne Stress. Okay, jetzt weiß er, wie er es handhaben wird.
»Sole, pass auf: Schick Fernando rein und sag Sabino, er soll in einer halben Stunde vorbeikommen.«
»Mach ich.«
Er legt auf. Wie gut, dass er sie behalten hat. Als die Bombe mit Mariel geplatzt ist, wollte er Soledad abschieben. Es tat ihm in der Seele weh, doch es schien ihm die einzige Lösung. Aber dann hat er es sich anders überlegt und es mit ihr besprochen. Sie verstehen sich fast blind, die Zusammenarbeit läuft wie geschmiert. Und tatsächlich klappt alles wie am Schnürchen. Keine Klagen, keine Szenen.
Die Tür geht auf, und herein kommt Fernando in Stadionkluft: abgetragene Jeans, verwaschener Pullover, Sportschuhe aus Leinen. Unterrichtet er etwa in dieser Aufmachung? Mauricio denkt zurück an seine Lehrer in San José. Andere Zeiten, ja, aber was für ein Unterschied. Er steht auf, sie umarmen sich, klopfen sich auf die Schultern.
»Wie geht’s, Fer?«
»Ganz gut. Und dir?«
»Alles okay. Viel Arbeit.«
»Hast du das mit Pittilanga schon mitgekriegt?«, kommt Fernando gleich zur Sache.
»Ruso hat neulich was erzählt. Von wegen, dass der Junge jetzt auf einer anderen Position spielt. War ganz begeistert. Ehrlich gesagt, hab ich nur mit halbem Ohr zugehört. Du weißt ja, wie Ruso ist.«
»Stimmt, aber diesmal ist was dran.«
»Tatsächlich?«
Fernando fasst zusammen: Rusos Fahrt nach Santiago del Estero, das Gespräch mit dem verunglückten Nachwuchstalent, mit dem Trainer, die Ergebnisse des Experiments.
»Er ist kein Beckenbauer, aber er schlägt sich wacker«, schließt Fernando.
»Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich überrascht. Auch froh, aber vor allem überrascht. Hätte ich nie gedacht.«
»Ich auch nicht. Aber es läuft wirklich gut.«
Das Gespräch gleitet dahin wie die Filzpantoffeln, die Mauricio als Kind immer anziehen musste, wenn der Boden frisch gebohnert war. Wie fortfahren? Zuhören? Fragen?
»Meinst du, wir kriegen ihn dadurch besser verkauft?«
»Ich denke schon. Er spielt jetzt seit sechs Partien auf der neuen Position. Wir haben alles gefilmt, Ruso und ich. Immer abwechselnd. Im ersten Jahr musste ich ja alles allein machen, aber jetzt hilft mir Ruso.«
»Klar, verstehe. Aber der Job, weißt du, und meine Frau.«
»Nein, nein, darauf wollte ich nicht hinaus.«
Das ist ja zu schön, um wahr zu sein. Fernando scheint ihm tatsächlich keine Vorwürfe zu machen. Trotzdem fragt sich Mauricio, ob das stimmt oder ob es nicht vielmehr so ist wie in den Horrorfilmen, die Mariel so gerne schaut: Genau in dem Moment, in dem alles gut zu sein scheint, greifen die Vampire an oder taucht plötzlich ein Wahnsinniger mit einer Kettensäge auf.
»Es ist nur so, dass Ruso sich ein bisschen zu sehr reinhängt. Er ist so stolz auf seine Eingebung, dass er kaum zu bremsen ist. Wenn er so weitermacht, jagt ihn Mónica noch aus dem Haus.«
»Ist also immer noch kompliziert?«
»Du weißt ja, wie Ruso ist. Jedenfalls haben wir sechs Partien im Kasten. Oder fünf, weil Pittilanga neulich einen üblen Stiefel zusammengekickt hat, in General Pico. Mamma mia, war das schlecht.«
Mauricio lächelt. General Pico? Ihr seid allen Ernstes nach General Pico gefahren? Ihr habt sie ja nicht mehr alle, liegt es ihm auf der Zunge, aber er kann es sich gerade noch verkneifen. Wieso sich verraten? Warum die beiden zu Helden erklären? Das machen sie ja schon von allein, ohne seine Hilfe. Vor allem Fernando. Trotzdem fühlt er sich unwohl. Irgendwie getrieben, auch traurig. Schuldgefühle? Bei der Vorstellung, dass diese beiden Spinner durchs halbe Land tingeln, um diesen Kerl zu filmen. Am schlimmsten ist nicht mal die Tatsache, dass sie es tun. Am schlimmsten ist, dass sie es auch noch genießen. Jedenfalls Fernandos zufriedenem Gesicht nach zu urteilen.
»Und nun?«, fragt Mauricio, um sich aus dieser Situation hinauszumanövrieren, um das Päckchen wieder loszuwerden, das er nicht tragen
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