Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
um Ruso und um Fernando. Die armen Schlucker der Clique. Fernando wusste nicht genau, wie viel sein Bruder verdiente – die peinliche Frage danach hatte er immer vermieden. Aber natürlich war es lächerlich, sein Lehrergehalt mit dem eines IT -Managers zu vergleichen. Und Ruso, tja, der war sowieso ein hoffnungsloser Fall.
Manchmal fragte sich Fernando, wie sich eine Freundschaft halten konnte, wenn das Leben so unterschiedlich verlief. Als Kinder waren sie alle gleich gewesen. Mittelschicht, Vorstadt, Siebzigerjahre. Die Väter Büroangestellte, Ladenbesitzer, Werkstattbetreiber. Die Mütter Hausfrauen. Aber jetzt, dreißig Jahre später, bewegten sie sich in völlig unterschiedlichen Sphären. Man musste sich nur Monos Wohnzimmer ansehen, in dem sie an diesem Abend saßen. Er hatte das Haus zwar nur gemietet, aber allein das Wohnzimmer war so groß wie Fernandos ganze Wohnung. Trotzdem konnte man nicht behaupten, dass sich an ihrem Verhältnis etwas geändert hätte. Sie redeten noch wie früher. Sie waren noch so offen miteinander wie früher. Sie hatten an denselben Dingen Spaß wie früher. Die Unterschiede zeigten sich nur in solchen Momenten. Mono hatte Angst, dass es Ruso die Sprache verschlagen könnte, wenn er hörte, wie viel Kohle seinem Freund als Entschädigung zustand.
Ruso manövrierte sich spielend leicht aus diesen stürmischen Gewässern. Erst war es ein kurzes »Ha«. Dann folgte ein »Haha«, das in ein »Hahahahaha« überging. Schon das erste Ha hatte genügt, um Mono anzustecken, was wiederum Rusos Lachen befeuerte. Und so weiter. Am Ende war es zu einer regelrechten Lachorgie ausgeartet, die Fernando, wie er aus Erfahrung wusste, nicht unterbrechen durfte, auch wenn der gesunde Menschenverstand nahelegte, dass es sinnvoller wäre, sich weiterhin über Monos Zukunft zu unterhalten. Er durfte es nicht unterbrechen, denn damit würde er nur erreichen, dass sie ihr Gelächter auch noch auf ihn ausdehnten und die Spirale sich endlos weiterdrehte.
Deshalb schwieg er und sah zu, wie die anderen lachten. Eines musste er zugeben: Die beiden Spaßvögel lachen zu sehen war ein Spektakel, das sich immer wieder lohnte.
25
Weil Ruso so drängt und wenig Verkehr ist, sind sie früher dran als gedacht. Rusos unschuldiger Dackelblick verrät Fernando, dass er etwas verheimlicht. Geheimnisse konnte Ruso noch nie für sich behalten. Deshalb wollte beim Truco, wo man gut lügen können muss, auch nie jemand ein Team mit ihm bilden, außer Mono früher. Sie parken in der Nähe des Stadions und setzen sich auf der Tribüne nach ganz oben, um einen möglichst guten Überblick zu haben. Ruso fällt auf, wie geschickt Fernando mit der Kamera hantiert.
»Wenn ich nach fünfzehn Spielen immer noch nicht wüsste, wie man filmt, würde ich mir die Kugel geben. Ich versteh nur nicht, warum ich unbedingt dieses Spiel aufnehmen soll. Es wird durchs Filmen ja auch nicht besser.«
Ruso deutet aufs Spielfeld. Die Mannschaften laufen auf, Pittilanga ist dabei.
»Gott sei Dank«, sagt Fernando. »Letztes Jahr bin ich bis Trenque Lauquen gefahren, nur um zu erfahren, dass Pittilanga sich in der Woche davor verletzt hatte.«
»Hast du mir schon erzählt.«
»Tausendzweihundert Kilometer für nichts und wieder nichts. Und auf der Heimfahrt hat es geschüttet wie aus Kübeln.«
»Ja, ja, hast du mir schon erzählt.«
»Dann erzähl ich dir’s eben noch mal. Und du machst ein mitleidiges Gesicht und sagst: › Du Armer ‹ .«
»Du Armer.«
Pittilanga sieht zur Tribüne, wo zehn Hansel der Heimmannschaft die Gastmannschaft lustlos beschimpfen. Er hebt den Arm und winkt den Freunden zu. Fernando ist überrascht, weil der Junge sonst nie grüßt. Als die Spieler sich auf ihre Positionen begeben, bleibt Pittilanga, der den Torwart warmgeschossen hat, hinten stehen.
»Was macht der denn? Hast du das gesehen, Ruso?«
»Hm.«
»Was soll denn das? Weißt du, was das soll?«
»Abwarten.«
Fernando bemerkt, dass Ruso weder überrascht noch nervös ist, und schon gar nicht alarmiert. Da liegt also der Hund begraben.
»Ich glaub’s nicht, Ruso. Du wusstest davon.«
»Hm.«
»Jetzt ist endgültig Hopfen und Malz verloren. Eine Katastrophe. Das darf doch nicht wahr sein.« Fernando kann es nicht fassen. »Seit wann weißt du davon? Wer hat das entschieden?« Er springt auf. »Ich geh runter und red mit dem Trainer.«
»Jetzt nerv nicht rum, Fernando. Setz dich wieder hin und wart erst mal ab.«
Das Spiel beginnt. Am
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