Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
Welt mitgebracht hat. Seine Vergangenheit. Seine Freunde.
»Komm trotzdem mit raus zur Garage. Vielleicht hast du ja noch einen allerletzten Tipp«, sagt er, bemüht, seine Stimme neutral klingen zu lassen, offiziell, büromäßig, bevor er sich von ihr verabschiedet. »Ciao, Mariel.«
»Ciao, Fernando.«
Sein
»Weißt du, was ich mit einer Entschädigung von dreihunderttausend Dollar machen würde?«, fragte Ruso, der vor Lachen noch ganz außer Atem war.
»Ja, Ruso. Scheiße bauen«, antwortete Fernando für seinen Bruder.
Die beiden sahen ihn an. Ruso war kein bisschen beleidigt, sah nur Mono an, und Mono ihn. Dann brachen sie wieder in Gelächter aus, das sie nur vorübergehend aussetzten, um sich gegenseitig zu versichern, dass Fer vollkommen Recht hatte, dass Ruso die dreihunderttausend garantiert in den Sand setzen würde. Als sie kaum noch Luft kriegten, hielt Fernando den Moment für gekommen, um wieder etwas ernster zu werden.
»Ein erkleckliches Sümmchen, aber ich verstehe nicht, welchen Vorteil es für dich haben sollte, wenn sie dich entlassen. Warum nimmst du die Beförderung nicht einfach an?«
Mono presste die Lippen zusammen, rieb sich die Hände und hielt den Blick gesenkt, als hätte sein Bruder ins Schwarze getroffen, aber den eigentlichen Punkt verfehlt. Fernando sah Ruso an, der in die gleiche Kerbe schlug.
»Fernando hat Recht. Dreihunderttausend sind ein ziemlicher Batzen, aber wenn du für die Mexikaner arbeitest, verdienst du doch auch haufenweise Kohle, oder?«
»Stimmt schon«, gab Mono widerwillig zu. »Aber ihr müsst bedenken, dass ich ständig auf Reisen wäre, von Pontius zu Pilatus. Das wäre ganz schön kompliziert. Und dann ist da auch noch Guadalupe.«
»Was wird kompliziert? Abgesehen von der Kleinen, meine ich.«
»Alles, Ruso. Ich kann nicht mehr so einfach meine Mutter besuchen, euch sehen, ins Stadion gehen. Mir geht’s gut, so wie’s ist. Ich hab keine Lust, mich aufzureiben. Verstehst du?«
»Klar.« Ruso widersprach nur ungern, und schon gar nicht, wenn es sich um seinen besten Freund handelte.
Eine Weile lang saßen sie schweigend da, jeder in Gedanken versunken.
»Was denkst du?« Mono hatte die Frage direkt an seinen Bruder gerichtet, wie einen Peitschenhieb, als wäre er sicher, dass Fernando Vorbehalte hatte, die man besser gleich klärte. »Raus mit der Sprache.«
»Ich kenne dich, als hätte ich dich selber auf die Welt gebracht. Und deshalb weiß ich auch, dass du gerade den Dummen spielst. Da ist irgendwas, was du nicht sagst, oder ich kapier’s einfach nicht.«
»Was kapierst du nicht?«
»Mono, du bist rein in die Verhandlung mit dem Gedanken, dass sie dich wahrscheinlich rauswerfen wollen. Und raus mit einer Beförderung und Gehaltserhöhung. Aber statt zu feiern sitzen wir hier, weil du › uns was erzählen willst ‹ . Na, gut, dann erzähl endlich, hör auf, um den heißen Brei herumzureden.«
Schweigen. Bis Ruso wieder das Wort ergriff. »Er hätte Psychologe werden sollen, oder?«
»Ja, da hätte er sich dumm und dämlich verdient. Priester wär aber auch gegangen. Hast du nie daran gedacht, Priester zu werden?«
Fernando lächelte. »So scharfsinnig bin ich gar nicht. Ihr seid einfach nur so plump und so leicht zu durchschauen.«
Ruso schrie auf, spielte den Empörten und sah Mono an, weil er davon ausging, dass der mitspielte. Aber dem war nicht so. Sein Freund saß angespannt da, als würde er mit sich ringen und wüsste nicht, wie er anfangen sollte.
»Fernando, du kennst mich von Geburt an«, sagte er schließlich.
»Genau.«
»Wenn du auf den Punkt bringen müsstest, wer ich bin. Was würdest du sagen?«
Fernando sah Ruso an.
»Du brauchst gar nicht Ruso anzuschauen. Was ich meine, ist: Mauricio ist Anwalt. Wenn man fragt: Was ist Mauricio? Dann lautet die Antwort: Anwalt. Bei dir genauso. Fernando ist Lehrer. Nicht erst seit heute. Nicht, weil du unterrichtest. Du warst schon immer Lehrer. Verstehst du?«
»Nein.«
»Tu nicht so blöd. Du verstehst mich genau. Schon als Kind hast du immer alles gewusst. Aus Scheiß haben wir dich tausend Sachen gefragt, und du hattest immer eine Antwort parat. Als hätte von Geburt an festgestanden, dass du mal Lehrer wirst. Es ist Teil deines Wesens. Versteht du?«
»Sagen wir ja.«
»Bei Mauricio ist es genauso. Er fällt immer auf die Füße. Hat immer das bessere Argument.«
»Und war schon immer ein Schisser«, fügte Ruso hinzu.
»Eben«, bestätigte Mono.
»Und ich?«
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