Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
Zeichen.
»Ja, wir kennen uns schon ewig. Aus dem Viertel.« Er muss nicht gleich alle Karten auf den Tisch legen und ihm verraten, dass Polaco eigentlich kein Freund ist, sondern nur ein Bekannter, den er noch dazu verabscheut. Trotzdem wundert er sich, dass Spitznamen ein solches Eigenleben entwickeln. Dieser Typ weiß nicht, kann nicht wissen, dass sein Bruder Salvatierra den Spitznamen »Polaco« verpasst hat, vor dreißig Jahren, aufgrund der fälschlichen Annahme, dass alle blonden Menschen aus Polen stammen.
»So, so«, sagt Prieto, um etwas zu sagen. »Trinkst du auch ein Glas Wein?«
Fernando nickt und gibt ihm zu verstehen, dass er einen aussuchen soll. Prieto hebt die Karte in Richtung Kellner und wählt eine Flasche aus, die über hundert Pesos kostet. Anschließend bestellen sie das Essen.
»Ich weiß nicht, ob Salvatierra dir erzählt hat, wie die Sache steht«, beginnt Fernando, um sich dem Thema anzunähern. Er fragt nicht, ob er ihn duzen darf, er tut es einfach, weil er spürt oder glauben will, dass das Duzen eine gewisse Nähe erzeugt.
»Ein bisschen was hat er mir erzählt: dass du die Transferrechte besitzt, du und ein paar Freunde.«
»Genau. Ich und noch zwei andere. Der Junge heißt Pittilanga.«
»Genau. Spielt in der dritten Liga. Als Stürmer.«
»Eigentlich nicht.«
Typisch, dass Salvatierra, dieser Hohlkopf, Pittilanga als Stürmer vorgestellt hat. Aber wenn er jetzt mit dem Positionswechsel anfängt, gesteht er als Erstes eine Schwäche ein. Wieder einmal hat er das Gefühl, ein miserabler Zauberer zu sein, dessen Tricks man mühelos durchschaut. Aber er nimmt den Kampf an und schildert den Fall präzise und direkt. In zehn, ja fünf Minuten hat er Pittilangas Biografie abgehakt, seine Zeit bei der U-17, sein Stillstand hinterher, seine Ausleihe. Und dann klärt er die Verwirrung in Sachen Position auf. Er hat den Eindruck, dass Prieto seine knappe Darstellung schätzt. Ist eben ein beschäftigter Mann, denkt Fernando, jemand, der keine Zeit hat, um lange drum herumzureden. Er beglückwünscht sich selbst zu seiner Strategie. Zu etwas muss es ja nütze sein, dass er fast täglich vor vierzig Jugendlichen steht, die wild entschlossen sind, in ihrer Ignoranz zu verharren. Wenn er es schafft, die Aufmerksamkeit eines solchen Publikums auf sich zu ziehen (und sei es für Sekunden), dann ist so ein einzelner Typ doch kein Problem, der noch dazu – sollten sie zu einer Einigung gelangen – ein hübsches Sümmchen abkassiert.
»Und ihr wollt nun …«, wirft Prieto den Köder aus, als Fernando fertig ist.
»… dass der Name ein bisschen lanciert wird.«
In diesem Augenblick kommt das Essen. Prieto schenkt Wein nach. Fernando ist so nervös, dass er keinen Hunger hat, aber er isst, um Prieto nicht den Appetit zu verderben.
»Furchtbar, diese Fußballwelt, nicht?«, sagt Prieto, während er das Fleisch schneidet.
»Das weißt du besser als wir. Von außen betrachtet …«
Prieto rollt mit den Augen, als hätte er so viel Erfahrung damit, dass er es kaum in Worte fassen kann. »Es geht immer nur ums Geld. Immer.«
Fernando nickt. Unwillkürlich denkt er an die letzten Gespräche mit Mono. Sie haben viel über Independiente gesprochen. Über seine Liebe zu diesem Club. Über seine nostalgische Sehnsucht nach den glorreichen Zeiten. Über das Auf und Ab dieser lächerlichen Begeisterung, die sie geteilt haben. Wie hätte Mono wohl auf so einen Satz reagiert?
»Und heute mehr denn je. Als ich angefangen habe – ist schon ewig her –, war’s noch anders.« Sein Handy klingelt, und er dreht es zu sich her, um zu sehen, wer anruft. »Entschuldige mich einen Augenblick, bitte. Ja, was gibt’s? Beim Mittagessen, ein Termin. Sag an.«
Während er spricht, holt Prieto einen elektronischen Terminkalender hervor und klickt die folgende Woche an.
»Warte. Nein, am Montag spreche ich über die Partien vom Wochenende. Das ist gebongt. Am Mittwoch ist Pokal. Wenn River verliert, hab ich genug Stoff für Donnerstag. Aber wenn River gewinnt … Am Freitag?«
Fernando kann Schrift auch mühelos lesen, wenn sie auf dem Kopf steht. Er hat es sich antrainiert, weil er so die orthografischen Grausamkeiten seiner Schüler besser aufspüren kann, sie sozusagen auf frischer Tat ertappt. In der Spalte für Dienstag liest er: Spekulieren über erneuten Verkauf von Riquelme nach Europa . Prieto drückt mit seinem Stift auf Mittwoch, wo noch nichts steht.
»Nein, das mit Riquelme lanciere ich am
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