Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
Journalisten, der in Radio und Fernsehen Werbung für uns gemacht hat . Das lassen wir schön bleiben, mein Junge.«
»Mein Junge.« Fernando kann nicht umhin, diese Anrede zu bewundern. Sie bringt es auf den Punkt. Mit ihr stellt dieses Arschloch unmissverständlich klar, wie das Kräfteverhältnis zwischen ihnen tatsächlich ist. Kein trügerisches Fernandito mehr, kein korrektes Fernando. Nein. Jetzt ist er »mein Junge«. Ein Grünschnabel, der ein interessantes Geschäft vorschlägt – mit ein paar Schwachpunkten zwar, aber daran soll es nicht scheitern. Der Herr Journalist hat Geduld, weist ihn auf diese Schwachpunkte hin, schlägt ihm Lösungen vor. Sei nicht blöd, mein Junge, hör auf mich, mein Junge. Von mir kannst du lernen, wie es läuft, mein Junge.
»Das müssen wir unter der Hand ausmachen. Jetzt gleich. Danach können wir über Details reden.«
Prieto dreht sich leicht nach links, um den Kellner zu rufen und noch einen Kaffee zu bestellen. Fernando räuspert sich und setzt sich aufrecht hin. Ein Gutes hat es ja, wenn man als kleiner Junge behandelt wird, denkt er: Es bleibt einem gar nichts anderes übrig, als in die Richtung loszurennen, in die die Erwachsenen zeigen.
29
Als Prieto das Restaurant verlassen hat, sieht Fernando auf die Uhr: Punkt drei. Mauricio hatte Recht. Alles in allem hat das Treffen drei Stunden gedauert. Er ruft den Kellner und bittet um die Rechnung. Sie kommt mit einem Glas Sekt aufs Haus. Kurz ist er versucht, dem Kellner zu sagen, er soll den Sekt wieder mitnehmen und ihn von der Rechnung abziehen. Dreihundertachtzig Pesos. Die spinnen wohl. Als er das Trinkgeld ausrechnet, wird ihm fast schlecht. Zehn Prozent, das sind fast vierzig Pesos. Nicht mit ihm. Er ringt sich dazu durch, vier Hundertpesosscheine auf das Tablett zu legen. Die Quittung nimmt er mit, wobei es keine Quittung ist, denn unten steht: Gilt nicht als Rechnung . So ein edles Restaurant und trotzdem Beschiss bei der Steuer. Scheißland. Trotzdem steckt er die Quittung in die Hosentasche, für den Fall, dass einer seiner »Partner« die Ausgaben überprüfen will. Eine Vorsichtsmaßnahme, die völlig sinnlos ist, weil sie ihm garantiert keine Verschwendungssucht vorwerfen werden. Aber er ist so wütend, dass er sich über irgendjemanden aufregen muss, und seine Freunde fallen ihm nun mal als Erstes ein. Er ist wieder mal allein, denkt er im Masochismus-Modus. Wie in den Monaten, in denen er Tore filmen wollte, die Pittilanga einfach nicht geschossen hat. Wie bei den Treffen, bei denen man ihn nur verarscht hat. Wo waren seine Freunde denn, als er eine Kröte nach der anderen schlucken musste, die der berühmte Armando Prieto ihm serviert hat? Mauricio krault sich den Bauch im Tennisclub. Und Ruso in seiner versifften Waschanlage.
Kaum ist er draußen, nähert sich auch schon ein Lakai und fragt ihn nach dem Schlüssel, um ihm den Wagen zu bringen. Dem muss er auch ein Trinkgeld geben. Wie viel? Proportional zur Rechnung? Zum Wagen, in den er gleich einsteigen wird? Er holt einen Zehnpesosschein heraus und gibt ihn dem jungen Kerl, der den Wagen bringt und ihm die Tür aufhält. Ob dessen »Danke« wirklich Dank ausdrückt oder sarkastisch gemeint ist, darüber denkt er lieber nicht nach. Langsam fährt er los, mehr mit sich selbst beschäftigt als mit dem Straßenverkehr.
Er steht wieder am Anfang. Oder schlimmer noch. Je mehr Optionen verpuffen, desto schwieriger wird es. Er biegt in Richtung Fluss ab, überquert eine der Drehbrücken. Obwohl es wolkig und kühl ist, sind in der Costanera Sur Leute unterwegs, die joggen, Fußball spielen oder einfach nur auf Klappstühlen herumsitzen. Er hält an und stellt den Motor ab.
Er bereut, dass er kein Handy hat. Dabei muss er dringend mit Ruso sprechen. In seinem Kopf nimmt eine Idee Formen an, aber er traut sich nicht, sie zu Ende zu denken, ohne Ruso um Rat gefragt zu haben. Er kneift sich mit Daumen und Zeigefinger in den Nasenrücken, weil ihn das normalerweise beruhigt.
»Hallo, Schätzchen. Ist dir nicht langweilig?«, flüstert ihm plötzlich jemand ins Ohr.
Sein Herz tut einen Satz. Er zuckt zurück und dreht den Kopf zum Fenster. Als sie seinen Gesichtsausdruck sieht, tritt die Frau, die sich in den Wagen gelehnt hat, einen Schritt zurück.
»Ups, ich hab dich wohl erschreckt, Schätzchen! Entschuldige!«
Das Herz klopft ihm bis zum Hals, während er die Frau näher in Augenschein nimmt: lange Haare, dunkle Augen, stark geschminkt, dazu große
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