Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
Fernando auf die Schulter. Schon wieder Ruso, der sich erneut hinter Mauricios Rücken zu ihm hingebeugt hat.
»Jetzt hör endlich auf«, zischt Fernando und sieht in böse an.
»Nur noch eins. Wer war wer?«
Fernando kann es nicht fassen. »Wie, wer war wer?«
»Wer hat den Russen gemimt, Mann? Espalter oder Almada? Oder waren es beide?«
Genervt will Fernando ihn gerade zusammenscheißen, als jemand seitlich von ihm sagt: »Einen Augenblick.« Es ist Pittilangas Vater.
Fernando sieht ihn an. Alle sehen ihn an. Die Verträge liegen ausgebreitet vor ihnen wie ein Satz Spielkarten.
»Ich werde nicht zulassen, dass mein Sohn über den Tisch gezogen wird«, erklärt Pittilanga senior und zeigt anklagend mit dem Finger auf sie. Auf sie drei.
Der Übersetzer stockt. Ruso vergisst vorübergehend den Sketch aus Hupumorpo . Fernando kommt es vor, als würde der Boden unter ihm wegbrechen. In den schlaflosen Nächten der letzten Wochen hatte er ausführlich Gelegenheit, seinen Ängsten freien Lauf zu lassen: dass die Ukrainer es sich anders überlegen, dass Mauricio zu überheblich agiert, dass Pittilanga auf der Hin- oder Rückfahrt eines Spiels plötzlich tot umkippt. Aber das hier wär ihm im Traum nicht eingefallen. Er sieht Mauricio an. Der bleibt stumm. Warum sagt er nichts?
»Wovon reden Sie da?«, fragt Fernando schließlich, weil Mauricio nach wie vor den Mund nicht aufmacht.
»Ich rede von euren Tricksereien. Davon rede ich«, erwidert Pittilanga senior. Fernando sieht, dass Pittilanga junior den Blick gesenkt hält.
Der Dolmetscher übersetzt. Die Ukrainer sehen sich erst gegenseitig an, dann Pittilanga senior. Ruso macht große Augen und sieht seinerseits alle andern an. Fernando spürt: Wenn er den Typen weiterreden lässt, war’s das. Warum sagt Mauricio nichts? Er beschließt einzugreifen.
»Hören Sie. Wir können uns gern ein andermal zusammensetzen und alles besprechen. Aber jetzt führen wir wichtige Verhandlungen. Mario ist alt genug, um selber zu entscheiden, wie es mit seiner Karriere weitergehen soll. Wenn Sie uns also entschuldigen würden …«
»Gar nichts werde ich, du blonder Schnösel.«
Fernando spürt, wie sich seine Gesichtshaut rötet. Aber er ist entschlossen, nicht die Beherrschung zu verlieren. Er sieht Mauricio in die Augen. »Ich fände es gut, wenn nur diejenigen mit am Tisch säßen, die direkt beteiligt sind. Was meinst du?«
Mauricio nimmt sich Zeit, bevor er antwortet.
»Dieser Herr«, sagt er schließlich, »ist direkt beteiligt.«
Dann schweigt er wieder. Das Gemurmel der Übersetzung klingt wie ein verzerrtes Echo. Fernando hat es so sehr die Sprache verschlagen, dass er nicht einmal fragen kann, wie Mauricio das meint.
»Mario ist zwanzig Jahre und sieben Monate alt«, erläutert Mauricio, als wäre das die entscheidende Information und damit völlig klar, was Sache ist.
»Na und? Hast du nicht gesagt, dass man mit achtzehn berechtigt ist, einen Vertrag zu unterschreiben?«
»Schon. Aber um das Land zu verlassen, braucht man die Einwilligung der Eltern. Bis man volljährig ist, also einundzwanzig.«
Fernando rechnet nach. In Pittilangas Fall sind das noch fünf Monate. In fünf Monaten hat die Spielzeit längst begonnen, ob in der Ukraine, in Acapulco oder auf dem Mars. Diese Leute werden nie und nimmer so lange warten. Scheiße, verdammte Scheiße. So kurz vorm Ziel. Verzweifelt wendet er sich an Pittilangas Vater. Dass Mauricio schweigt, kommt ihm immer merkwürdiger vor.
»Entschuldigen Sie, aber finden Sie nicht, dass –«
»Deine Entschuldigung kannst du dir sonst wohin stecken«, schneidet ihm der Mann das Wort ab und sieht ihn wütend an. »Du denkst wohl, ich bin von vorgestern? Und merke nicht, dass ihr mich verarschen wollt?«
Diesmal bleibt die Übersetzung aus. Trotzdem beschweren sich die Ukrainer nicht, denn die Gesten und Blicke sprechen für sich. Fernando sieht Mauricio an, der wiederum Pittilanga senior ansieht, als wäre nichts geschehen. Der Sohn hält den Blick nach wie vor gesenkt.
»Ich werde Ihnen nicht erlauben, dass –«
»Du hast mir gar nichts zu erlauben, du Glatzkopf«, sagt Pittilanga senior und steht auf. Fernando steht ebenfalls auf. Ruso auch. Mauricio hingegen macht nur eine vage Handbewegung. »Warum erzählst du diesen Herren nicht, was Sache ist? Warum? He?«, wendet sich Pittilanga senior an die Ukrainer. »Mein Sohn – ich weiß nicht, ob Sie das wissen –, mein Sohn war mit der U-17 bei der WM in Indonesien.
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