Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
auch, schließlich wusste er nicht, dass er interessiert war. Jetzt liegen die Dinge anders. Aber bis jetzt gibt es keinen Grund zur Klage. Gut so. Gut auch, dass er seine Freunde als Bekannte ausgegeben hat. Sehr gut sogar. Schnelle Reflexe. Aber ab jetzt muss er höllisch aufpassen. Mit Williams ist alles okay. Sein Chef hat ihm nicht gedroht, hat nur ein bisschen Druck ausgeübt, was nicht das Gleiche ist. Außerdem hat er ihm ein gemeinsames Geschäft vorgeschlagen. Man muss wissen, wem seine Loyalität zu gelten hat. Demjenigen, der einem das Gehalt bezahlt. Und nicht diesen groß gewordenen Jungs, die einem alte Fotos vor die Nase halten, damit man Mitleid kriegt; die einen in was reinziehen wollen, nur weil man drei oder vier Kindheitserlebnisse teilt, an die man sich auch noch falsch erinnert.
Ratschläge
»Woher weißt du, dass es wirklich deins ist?«, fragte Mauricio mit dieser brutalen Direktheit, mit der er immer die Probleme anderer anging, als verschaffe ihm das Zeit, sich um die wirklich wichtigen Dinge zu kümmern. Verwirrt sah Mono erst Fernando und dann Ruso an, die plötzlich lieber zu Boden oder nach draußen schauten.
Die Frage war berechtigt. Hart, aber berechtigt. Mono hatte sie zusammengetrommelt, weil es Neuigkeiten gab. Lourdes war schwanger, im zweiten Monat schwanger, um genau zu sein. Und sie hatte vorgeschlagen, zusammenzuziehen. Fernando hatte den Impuls unterdrückt, seinem Bruder eine zu scheuern, und gefragt, ob sie nicht aufgepasst hätten. Erst hatte Mono ja gesagt, dann nein, dann mehr oder weniger, mit einer Verwirrung im Gesicht, die Fernando auch bei seinen Schülern sah, wenn er diese Frage stellte. Nur dass seine Schüler fünfzehn waren und nicht dreißig wie sein jüngerer Bruder, der Idiot.
In die eingetretene Stille hinein hatte Mauricio seine vergiftete Frage gestellt, die sich tief im Inneren alle drei stellten. Oder besser gesagt: alle vier, denn Mono antwortete nicht sofort. Und als er es schließlich doch tat, sagte er: »Ich glaube schon.« Und in diesem »Ich glaube schon« waren alle ungeklärten Probleme enthalten, über die sich sowohl er als auch die anderen so ihre Gedanken machten: dass Lourdes sich nach wie vor mit dem Schweizer traf; dass sich ihre Beziehung zu Mono am Rand der Legalität bewegte; dass ihre Treffen zu chaotisch, geheim und improvisiert waren, um sich auch nur über irgendetwas sicher sein zu können; dass nicht klar war, mit welchem Status sie offiziell unter einem Dach wohnen sollten; dass diese Lourdes der Inbegriff von Unklarheit, Vagheit und »Ich bin mir bei überhaupt nichts sicher« war; und dass bei diesem Stand der Dinge Mauricio nicht damit einverstanden war, dass Mono mit Lourdes zusammenzog. Und Fernando erst recht nicht.
Nur Ruso riet ihm dazu. Als Fernando fragte, warum, sagte er schlicht: »Weil er sie liebt.« Er sagte es, ohne sich umzudrehen, ohne ihnen in die Augen zu sehen, weder Fernando, der vor Wut fast platzte, noch Mono, der ihm dankbar war. Ruso war alles andere als sicher, ob es das Beste war für seinen besten Freund. Er spürte nur, was sich Mono wünschte, nämlich diese Frau ganz zu erobern, sie ganz für sich zu haben, und er kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass Mono überzeugt war, alle Zweifel und Unklarheiten aus der Welt räumen zu können. Und glücklich zu sein.
37
Ein Jahr, sieben Monate und siebenundzwanzig Tage nach Monos Tod fahren Fernando Raguzzi, Daniel Gutnisky und Mauricio Guzmán mit dem Fahrstuhl in den zwanzigsten Stock des Hotels Miranda, wo die Präsidiumsmitglieder von Dnipro Dnipropetrowsk aus der Ukraine auf sie warten, um den Vertrag über den Transfer des argentinischen Fußballspielers Mario Juan Bautista Pittilanga zu unterzeichnen. Keiner sagt etwas, bis Ruso auf ihr Spiegelbild zeigt und grinst. »Ein guter Tag, um zu sterben«, zitiert er den Helden eines Films, an dessen Namen er sich nicht erinnert, aber es gelingt ihm eh nicht, den anderen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Als sich die Fahrstuhltür öffnet, kann Ruso einen Ausruf der Bewunderung nicht unterdrücken. Durch die Fensterfront bietet sich ihnen ein Blick auf das Naturreservat Reserva Ecológica, die Docks von Puerto Madero, die Frachtschiffe, die zwischen den Bojen träge ihre Bahn ziehen. Fernando tippt ihm leicht auf die Schulter, damit er seiner Begeisterung nicht ganz so laut Ausdruck verleiht, schließlich müssen die Ukrainer ja nicht gleich bemerken, dass sie Amateure sind.
Fernando muss
Weitere Kostenlose Bücher