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Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Titel: Vier Jungs auf einem Foto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Sacheri
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herum das typische Gekritzel, das Williams fabriziert, wenn er telefoniert. »Pittilanga, Jahrgang 86, ausgebildet bei Platense. U-17- WM in Indonesien, ausgeliehen an Mitre aus Santiago del Estero. So weit alles richtig?«
    Mauricio räuspert sich zum hundertsten Mal. »Ja, Humberto. Denke schon.«
    »Nach der Ausleihe wird er zu Platense zurückkehren.«
    »Vermutlich. Da bin ich ehrlich gesagt nicht auf dem neuesten Stand.«
    »Macht nichts. Ich schon. Ein anderer Freund von mir ist im Präsidium vom Platense, also weiß ich aus zuverlässiger Quelle, dass man dort keinerlei Interesse mehr an dem Jungen hat. Mit anderen Worten: Man wird ihm die Freigabe erteilen. Kannst du mir folgen?«
    Wie merkwürdig. Plötzlich ist Williams ein Experte in Sachen Pittilanga. Eine Art Fernando, nur dreißig Jahre älter und besser gekleidet.
    »Und wenn er die Freigabe erhält, nützt er der guten Frau nichts mehr, die die Transferrechte hält. Richtig?«
    »Kann schon sein. Wie gesagt, ich hab nur am Rande damit zu tun.«
    »Jedenfalls bietet sich uns hier eine große Chance.«
    Mauricio ist verblüfft von diesem plötzlichen Wechsel in die erste Person Plural. »Uns?«
    »Wir warten ab, bis dieser Pittilanga die Freigabe erhält. Wert des Spielers: null Pesos. Dann warten wir weitere zwei Monate ab. Diese Frau (oder wer immer dahintersteckt, denn die Gute scheint mir nur ein Strohmann zu sein) sitzt in der Tinte. Wir lassen noch mal zwei Monate vergehen. Oder vier. Und dann schlagen wir zu, bieten ihr für den Jungen zwanzigtausend Dollar an. Verstehst du?«
    Das Handy klingelt, aber Williams drückt den Anrufer weg. Nachdem Mauricio den ersten Moment der Überraschung überwunden hat, beginnt er die perfekte Logik dahinter zu erahnen. Oder wie Williams selbst es formuliert: Es geht nie um die Sache, es geht immer um die Höhe der Summe.
    »Sobald wir die Transferrechte besitzen«, fährt Williams fort, »stechen wir ein bisschen ins Wespennest. Ich weiß schon, wen ich mit ins Boot holen muss, damit sich die Sache wirklich lohnt. Wer dreihunderttausend sagt, sagt auch vierhunderttausend. Vierhunderttausend, die Hälfte für dich, die Hälfte für mich. Oder eine halbe Million, wer weiß. Je nachdem, wie gut wir verhandeln. Vidal hat mir erzählt, dass der Junge jetzt auf einer anderen Position spielt. Und sich dort wesentlich besser schlägt.«
    »Ach ja? Wusste ich gar nicht …«
    »Ich habe keine Ahnung vom Fußball. Interessiert mich auch nicht. Vielleicht weil ich selber nie gespielt habe. Ich weiß nur, dass wir aus zwanzigtausend locker zehnmal so viel machen können. Oder fünfzehnmal so viel. Zwanzigmal. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
    »Doch, doch, aber …«
    »Hör zu, Mauricio, mein Lieber. Wichtig ist nur, dass du nichts unternimmst, bis Platense die Freigabe erteilt. Und dass diese Bekannten von dir nicht auf irgendwelche komischen Ideen kommen. Denn das wär’s dann. Dann wären wir wieder bei null. Statt dreihunderttausend oder vierhunderttausend Dollar wären wir wieder bei null. Verstehst du?«
    »Ja, Humberto, natürlich.«
    »Du musst mir dein Wort geben, Guzmán«, sagt Williams abschließend und lächelt sanft und offenherzig.
    Ein Meister seines Fachs. Seit drei Jahren hat er ihn nicht mehr beim Nachnamen genannt. Seit sich Mauricio von den anderen Junganwälten abheben konnte. Es fing damit an, dass er ihn beim Vornamen genannt hat. Ihn näher zu sich geholt hat. Den Aufstieg ermöglicht. Ihm das Gefühl gegeben hat, zur Familie zu gehören. Mit Dingen, die für sich sprachen: dem eigenen Büro, der eigenen Sekretärin und vor allem dem Gehalt. Aber eben auch, indem er ihn Mauricio genannt hat. Diese flüchtige Rückkehr zu seinem Nachnamen ist alles andere als ein Zufall. Damit stellt er die Rangordnung wieder her. Damit stellt er wirkungsvoll klar, wer welche Position einnimmt. Mauricio hält seinen Blick, so lang er kann, was nicht gerade lang ist. Irgendwo da liegt das Geheimnis des Alten. Irgendwo da, wo man auch mit einem noch so schicken Anzug, einer noch so teuren Rolex und noch so engelhaften Händen nicht hinkommt.
    Mauricio kehrt in sein Büro zurück und denkt fieberhaft darüber nach, was Williams gesagt hat. Oder eher: befohlen hat. Er kommt sich vor, als wäre er gerade die Treppe hinuntergefallen und müsste sich abtasten, um festzustellen, ob er sich etwas gebrochen hat. Es ist nichts passiert, was nicht wiedergutzumachen wäre. Williams hat ihm nichts vorgeworfen. Wie

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