Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)
ewige Optimist, der den anderen auf die Nerven geht. Und alles nur, weil er kein Nein verkraftet, weil er nicht kapieren will, dass manche Dinge eben hoffnungslos sind. Nicht ich, nicht Ruso. Du bist das Problem. Wenn Ruso dein Spiel mitspielen will, von mir aus. Aber mich lass damit in Frieden. Mir reicht’s. Im Gegensatz zu dir weiß ich nämlich, wann man einen Schlussstrich ziehen muss.«
»Scheint mir das Einzige zu sein, was du weißt.«
Sie sehen sich lange an. Ruso, der seinerseits die beiden ansieht, hat Angst, dass die Wunden, die sie sich gerade zugefügt haben, nie wieder verheilen werden. Schließlich steht Mauricio auf, legt einen Zehnpesosschein auf den Tisch und geht grußlos davon.
7
Nach dem Streit im Café zerbricht sich Fernando mehrere Tage lang den Kopf darüber, wie es weitergehen soll. Das mit Mauricio überrascht ihn nicht. Er bedauert es, aber es überrascht ihn nicht. Früher oder später musste es so kommen. Mauricio hätte es eleganter verpacken können. Arbeit vorschützen können. Oder Probleme mit seiner Frau, der dummen Kuh. Oder irgendwelche Verpflichtungen. Aber nein. Nicht mal das. Typisch Mauricio. Und dann die Art und Weise. Ihm Purismus zu unterstellen, nur um von seinem Egoismus abzulenken, seinem eingefleischten Egoismus.
Zum Glück ist Ruso anders. Nicht nur, weil er der beste Freund seines Bruders war. Sondern überhaupt. Manchmal ist Ruso ein wandelndes Chaos, das ja, aber er ist ein durchweg aufrichtiger Kerl und immer hilfsbereit. Einer von denen, die einen nicht im Stich lassen.
Als Fernando vor der Waschanlage parkt, ist es zehn Uhr morgens. Nach drei Tagen Dauernieselregen, mit dem Buenos Aires im Winter seine Einwohner quält, scheint endlich wieder die Sonne. Es wundert ihn, dass kaum etwas los ist. Im Sektor mit den fertigen Wagen wartet einsam ein hellgrauer VW . Die Anlage steht still, niemand wartet darauf, dranzukommen. Rusos Angestellte sitzen herum und schlürfen Mate. Fernando winkt den beiden von weitem zu und fragt sie per Handzeichen, wo der Chef ist. Sie zucken mit den Schultern und rufen ihm zu, dass Cristo, der Geschäftsführer, im Büro ist.
»Na, Fernando, wie geht’s?«, begrüßt ihn Cristo.
»Ganz gut so weit. Und dir?«
»Alles bestens. Kaffee?«
Fernando nickt. Er setzt sich auf einen der hohen Stühle an der Theke. Als Ruso ihm seinerzeit von seinem Plan erzählt hat, neben der Waschanlage noch ein Café zu betreiben, fand er es eine gute Idee. Aber jetzt, nachdem einige Zeit vergangen ist, hat er den Verdacht, dass Ruso die Lage falsch eingeschätzt hat. Wie so oft. Oder falsch angepackt. Jedenfalls scheint diese Apparatur aus Metall, Schaltern und Dampfstößen nur dazu da zu sein, ihm und Cristo einen guten Kaffee zu garantieren.
»Und der Chef?«
Cristo sieht ihn über die Maschine hinweg an und zieht eine Augenbraue hoch. Dann zeigt er mit dem Kinn in Richtung Wanduhr. Es ist halb elf. »Um die Uhrzeit? Vergiss es. Vor elf taucht Ruso garantiert nicht auf.«
»Ah. Ich dachte, an so einem schönen Tag lohnt es sich vielleicht, ein bisschen früher zu kommen.«
Cristo kratzt sich am dunklen Vollbart, der zusammen mit seinen langen Zottelhaaren der Grund für seinen Spitznamen ist. »Würde auch nicht viel ändern«, sagt er nur und reicht ihm eine Tasse. Fernando bedankt sich und denkt wie immer, dass Ruso ein hoffnungsloser Fall ist. Seit er von der Schule abgegangen ist, hatte er eine Geschäftsidee nach der anderen. Fernando kann sie gar nicht alle aufzählen. Alles kleine Klitschen, alles selbst aufgebaut, alles vom Typ »todsicheres Geschäft« und »da wird die Kasse klingeln«. Und das Ende vom Lied ist immer, dass er mit Schulden dasteht. Wie oft hat Fernando sich mit Mono darüber unterhalten: dass Ruso ein besonderes Talent dafür hat, Investitionen in den Sand zu setzen, fast als ginge er dem Erfolg absichtlich aus dem Weg. Mono meinte, es sei vor allem ein Problem des Timings: Die Geschäftsideen seien gut, aber Ruso komme regelmäßig zwei Jahre zu spät. Zu dem Zeitpunkt, an dem er die Sache anpacke, an dem er all seine Hoffnung reinstecke, die letzten paar Kröten, die ihm noch blieben, sei es bereits eine Totgeburt. Fernando wiederum vermutet, dass es Ruso nicht gutgetan hat, nach der Schulzeit ein hübsches Sümmchen zur Verfügung gehabt zu haben, hart erarbeitet von seinem Vater und seinem Großvater, mit einem Lederwarenbetrieb. Trotz des Startkapitals hat Ruso einen Misserfolg nach dem anderen produziert.
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