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Vier minus drei

Titel: Vier minus drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Pachl-Eberhart
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es schafft, kommt mit Nase, kommt im Kostüm (ihr könnt euch dort auch umziehen), kommt mit Instrument. Ich werde noch sooo viel Kraft zum Leben brauchen und ihr potenziert die Kraft! Ihr seid ein Teil meines Lebens, in einem Sinn, den wir vielleicht alle noch nicht erfassen können.
    Alle anderen, kommt wie ihr möchtet. Wenn es euch ein Bedürfnis ist, kommt in schwarz, aber sonst bitte nicht. Zieht euch bunt an und lustig. Seid verrückt. Habt keine Hemmungen, das zu tun, wonach euch ist.
    Bringt bitte drei Blumen mit. Es tut gut, jedem der drei noch was auf den Sarg zu werfen.
    Für mich bringt bitte auch was mit. Geschichten. Schreibt auf, was euch an Erlebnissen einfällt mit Heli, Thimo und/oder
Fini. Eindrücke. Drei Worte. Drei Seiten. Lieblingsgeschichten. Auf farbigen Blättern oder weißen. Das ist mir sehr wichtig. Ich möchte aus diesen Geschichten ein dickes Buch machen. Ich möchte die Erinnerung an meine Engel lebendig halten, bis ich 97 bin, und ihr müsst mir dabei helfen!
    Nach der Feier möchte ich euch in meinen Garten und mein Haus einladen. Es soll sehr voll sein und voller Leben. Vielleicht könnt ihr mir helfen, das Haus so umzuräumen, dass die Sachen meiner Kinder einen guten Platz bekommen und mein neuer Platz mit Kraft gefüllt wird. Hannes, der beste Koch der steirischen Hügelszene wird kochen, aber nehmt euch auch ein Jausenpackerl mit, denn hoffentlich sind wir zu viele. Das Fest wird hoffentlich bis zum Abend dauern, ihr müsst auch nicht gleich nach der Verabschiedung kommen.
    Und ein letztes: Schickt dieses Mail weiter an alle, die Heli oder mich oder Thimo oder Fini kennen. Auf die Gefahr hin, dass es viele doppelt und dreifach bekommen. Ich möchte, dass Heli ein volles Haus hat am Samstag.
    Ich habe euch unendlich lieb!
    Eure Barbara

    Ich sehe mich noch am Computer sitzen, im Wohnzimmer von Sabines Eltern, als sei es erst gestern gewesen. Die beiden hatten mich nach dem Tod meiner Familie in ihrer Wohnung aufgenommen. Ich wusste nicht, wo ich sonst hätte schlafen sollen. Meine Eltern waren in Wien, zu weit
weg, als dass ich von dort aus die Behördenwege erledigen hätte können. Mein eigenes Haus würde mir vorerst nicht guttun, das ahnte ich. Ich sehnte mich nach einem Heim, nach Fürsorge und Geborgenheit. Und fand sie, glücklicherweise, bei den Eltern meiner besten Freundin, die mir schon lange fast wie eine Schwester war.
    Ich kann mich noch gut an den Teller Kekse erinnern, der, während ich die Mail an meine Freunde schrieb, unberührt neben mir stand. An Sabines Vater, der mir jede halbe Stunde auf Zehenspitzen ein frisches Glas Wasser brachte. Ich erinnere mich an die hohe Konzentration, in der ich Zeile für Zeile auf den Bildschirm brachte, und daran, dass die Worte durch mich hindurchströmten, als kämen sie von irgendwoher geflogen und als sei ich nur das Werkzeug, durch das sie Gestalt annehmen konnten.
    Ich erinnere mich an die Erschöpfung, die mich überfiel, als ich fertiggeschrieben hatte. Ich brachte gerade noch die Kraft auf, meine E-Mail an alle Menschen zu schicken, die ich in meinem Verteiler hatte. Der Text machte sich auf seinen Weg durchs weltweite Netz, flog zu Freunden, Kollegen, Geschäftspartnern und alten Bekannten, landete in Schuldirektionen, Amtsabteilungen und Veranstaltungsredaktionen diverser Zeitungen. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, zu sortieren. Alle, die je mit Heli, Thimo, Fini und mir zu tun gehabt hatten, sollten Bescheid wissen.
    Ich war auf Hilfe angewiesen. Ich würde Gespräche brauchen, Zuwendung, Kontakt. Vielleicht nicht gleich, aber später. Irgendwann. Wenn es in mir, die ich nichts mehr zu verlieren hatte, irgendwo noch eine Sorge gab, so
war es die Angst vor der Sprachlosigkeit. Die Angst davor, dass Freunde den Kontakt meiden würden, weil sie nicht wussten, wie sie mir begegnen sollten. Dass irgendjemand aus Verlegenheit und Scham die Straßenseite wechseln würde. Dass ich eine Außenseiterin werden könnte, jetzt, da die Geborgenheit einer Gemeinschaft wichtiger für mich sein würde als alles andere. Deshalb hatte ich mich entschlossen, meine Gedanken aufzuschreiben. Sie zu verschicken. An alle.
    Ich streckte und dehnte mich erschöpft und schaute dabei aus dem Fenster. Es war Abend geworden. Ein tiefer Frieden erfüllte mich, fast so wie nach der Geburt meiner beiden Kinder.
    Alles war gesagt.
    Es konnte weitergehen. Ich konnte weitergehen. Musste weitergehen.

zeitlose Tage
    Wohin ging

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