Vier minus drei
glaube, das war das Schlimmste an diesen vergangenen Tagen. Nicht wissen, falls mein Kind wieder aufwacht – wie wird sie sein? Wird die Fini noch die Fini sein? Wird sie mich noch erkennen? Falls ihr denkt, ich gehe durch die Hölle oder bin durch die Hölle gegangen – ja, das war sie!
Fini bekam ungefähr zwanzig verschiedene Medikamente, die alle im Milliliterbereich aufeinander abgestimmt werden mussten. Mal stieg der Hirndruck, dann fiel der Blutdruck ab, was sonst noch alles war, hab ich gar nicht so mitbekommen. Der Anästhesist war drei Tage im Dauereinsatz, er hat nicht geschlafen, hat alle fünf Minuten oder öfter einen Knopf gedrückt. Ich bin überwältigt, mit welcher Kraft um das Leben meiner Fini gekämpft worden ist, von so vielen Menschen.
Was mich angeht, ich durfte im Spital schlafen und konnte in der Früh gar nicht aufstehen, weil ich so eine Angst hatte vor den zu erwartenden schlechten Neuigkeiten nach der Nacht. Mein Papa hat mich großartig unterstützt und diese Nachrichten mit viel Liebe an mich weitergetragen. Er (und meine Schwägerin Gabi) war es auch, der bei Fini stand und sie ununterbrochen mit Bachblüten einschmierte (wenigstens das konnten wir tun, und es hat uns soooo geholfen, es tun zu können!), wenn ich nicht mehr konnte und spazieren gehen musste.
Ich war viel spazieren in diesen drei Tagen und hatte unglaubliche Erlebnisse und Visionen. Zwei Rehe habe ich immer wieder im Wald getroffen, auf Armlänge entfernt. Ich bin sicher, das waren Heli und Thimo. Sie haben mich immer lang
angeschaut und sind dann fröhlich und voller Kraft davongesprungen.
Im Wald habe ich auch Fini getroffen. Sie war immer neben mir, so lustig und süß. Und plötzlich sah ich sie vor mir in einem Ball aus Licht. Wie in einer Seifenblase aus hellem, gelbem Licht. Sie hat gestrahlt. Ich wusste, es kann ihr nichts passieren. Im Wald habe ich dann immer wieder dieses Bild gesehen. Es hat mir einen unglaublichen inneren Frieden geschenkt.
In der Intensivstation hingegen kämpfte ich weiter um Finis Leben. Obwohl ich mir nicht ganz sicher war. Irgendwie kam es mir so kleinlich vor. Sie steht da vor diesem wunderschönen Licht und ich versuche, sie zu überreden, zurückzukommen. Zu den Hasen und der Wiese und zu mir. Aber wer bin ich schon gegen das schönste Licht der Welt und die himmlische Musik? Irgendwann darf ich auch dort sein, das ist schön.
Ich war auch gerade spazieren, als Fini dann an Kreislaufversagen starb (ich hatte nicht gewusst, dass es so schnell gehen würde, sonst wäre ich wahrscheinlich nicht hinausgegangen, aber ich bin so froh darüber, dass ich dieses Erlebnis im Wald noch haben durfte). Ich lief durch den Wald, zwanzig Minuten, voller unbändiger Lebenskraft. Ich sang so laut ich konnte Finis Lieblingslied, das Pippi-Langstrumpf-Lied. Ich kam zurück und Fini war tot. Fini war im Licht. Das Licht war in mir. Ich durfte sie gemeinsam mit meinem Papa noch zärtlich waschen und sie wickeln und sie dann ganz lange halten, ehe wir sie ins Bett legten, so wie sie immer geschlafen hatte. So süß. Mit ihrem »Deckalein«. Sie war nur mehr Hülle. Sie war in uns. In ihrem Licht. Mein Engel.
Thimos Tod – Montag, 24.3.2008
Thimos Diagnose war von Anfang an relativ klar. Er war reanimiert worden, das heißt, sein Herz schlug (mein kleiner Kämpfer), aber sein Hirn war in größtem Maße zerstört. Es gab keine Hoffnung, dass er wieder aufwachen würde. Es war klar, dass er nur an Maschinen hing und deshalb noch eine Art Leben in ihm war. Es würde darauf hinauslaufen, ob Thimo selbst sterben würde (das heißt, ob sein Herz aufhören würde zu schlagen) oder ob wir die Maschinen irgendwann abdrehen würden. Ich glaube, fast jeder von euch hätte das gesagt, was ich zunächst gesagt habe: Die Maschinen drehe ich sicher nicht ab, ich möchte Thimo selbst entscheiden lassen, wann er geht.
Thimo ist lange nicht gegangen. Sein Herz hat weiter geschlagen, während wir um Fini gekämpft haben. Er lag im Bett neben Fini. Ich bin immer wieder zu ihm gegangen und habe ihm gesagt: »Du darfst gehen, geh mit leichtem, frohem Herzen, dein Papu wartet auf dich im großen Licht und in der schönen Musik.« Es war schwer, am einen Bett das Kind zurückholen zu wollen und gleich nebenan eines loszulassen. Ich habe es auch manchmal aus Versehen vertauscht, sie sind mir dafür bestimmt nicht böse. An Finis letztem Tag habe ich Thimo ein bisschen vernachlässigt. Ich musste das LEBEN in den
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