Vier minus drei
wie es war. Bitte seid mit mir in diesem Text.
Helis Tod – Donnerstag, 20.3.2008
Ich muss schon früher anfangen. Seit ein paar Wochen hatten Heli und ich in unserer Beziehung ein enormes Hoch. Wir hatten so etwas wie einen Quantensprung erlebt. Mit dem Umzug in unser neues Haus mit Apfelbäumen rundherum waren wir sehr auf uns zurückgeworfen.
Wir fanden durch unglaublich intensive und wunderschöne Gespräche enorm zueinander, erlebten wieder eine Zeit des Verliebt-Seins, auch wieder Streit, bis wir zu dem Punkt kamen: Wir wollen »uns gut« sein. »Wenn zwei Menschen sich gut sind …«, dieser Satz von Elfriede Ott im Radio hatte mich zutiefst berührt, und wir machten ihn zu unserem Motto. Jeden Morgen sagten wir uns »Ich bin dir gut und alles, was ich sage, meine ich im Guten.« Dieser Satz hat uns viel Frieden gebracht. Und Heli war im Frieden wie fast nie zuvor.
Er hatte in den letzten Wochen viele alte Freunde kontaktiert, Frieden geschlossen mit Leuten, mit denen noch irgendeine Rechnung offen war.
Außerdem hat er in Windeseile unser »neues« altes Haus renoviert. Ich habe immer gesagt, mach dir doch keinen solchen Stress. Aber er wollte es »fertig haben.«
Am Abend vor seinem Tod hatten wir gemeinsam mit Elfi, einer sehr lieben Freundin und Kollegin, eine Maskentheaterprobe, bei der ich Regie führte. Heli improvisierte mit einem Besen, um den ein Mantel geschlungen war, einen Zwei-Personen-Tanz. Ich spielte dazu einen Tango auf der Gitarre. Elfi und mir blieb der Mund offen, der Raum war voller Intensität, voller Kraft, voller Genie. Der Tanz endete in einer Liebkosung des Besens, so friedlich.
Im Nachhinein denke ich, es war der Tanz mit dem Tod.
Dann war Heli noch bei zwei meiner besten Freundinnen zu Besuch, und die drei hatten unglaublichen Spaß miteinander.
Die Nacht zum Donnerstag war sehr eigenartig, Heli war wie aufgezwirbelt, schlief unruhig, kuschelte sich immer wieder ganz eng zu mir. Auch in der Früh kuschelten wir noch ganz lange und Heli sagte: »Ich weiß auch nicht, was mit mir ist, ich hab seit gestern Abend das Gefühl, ich könnte Bäume ausreißen, ich bin so voller Freude!«
Ich ging um acht aus dem Haus, um 9:55 passierte das Unglück. Mit unserer Nachbarin hat Heli im Vorbeifahren noch gescherzt. Eine andere Freundin hat den Clownbus noch vorbeifahren sehen, voller Energie und Glück, der Bus hat jeden lachen lassen, der ihn gesehen hat. Ich bin sicher, Heli hat den Zug nicht gesehen und nicht gehört, weil er gerade geblödelt hat oder etwas in dem unergründlichen Chaos in seinem Bus gesucht hat, vielleicht sogar am Fahrzeugboden. Typisch Heli.
Als ich nach dem Unglück nach Hause fuhr, spürte ich, dass Heli mich besuchte. Er legte sich wie ein ganz warmer, riesengroßer Mantel um mich. So zärtlich.
Ich habe Heli im Bestattungsinstitut besucht, habe mir seine Hülle noch einmal angeschaut. Er schaut verklärt aus, er lächelt. Er hat ganz bestimmt nicht gelitten. Er ist im Licht und es ist wunderschön dort!!! Aber er ist auch bei mir. Ein Teil seiner Lebensenergie ist auf mich übergesprungen. Ich gehe plötzlich im Wald spazieren, spüre Lust zu tischlern und mich zu betätigen.
Ich habe ein Buch gelesen über Nahtoderlebnisse und plötzliche Unfalltode. Die Zeit, in der sich ein Mensch auf seinen Tod vorbereitet, beginnt ziemlich genau sechs Wochen vor seinem Tod. Projekte werden fertiggestellt, der Mensch versöhnt sich mit so vielen wie möglich, er kommt in den inneren Frieden mit sich und der Welt, und er wirkt »irgendwie anders.« Diese Erfahrung haben schon sehr viele Angehörige von Unfalltoten gemacht. Bei Heli war es auch so, und diese Tatsache lässt mich fest glauben: Es war für Heli an der Zeit zu gehen. Er hat seine Lernaufgaben erfüllt und darf sich nun in Frieden ausruhen. »Was wäre, wenn …«, braucht man nicht zu denken. Es war unvermeidlich, so oder so. Es ist, wie es ist. Es ist gut, wie es ist, denn es konnte nicht anders sein.
Valentinas Tod – Sonntag, 23.3.2008
Fini war die Einzige, die den Unfall zunächst überlebt hatte (Thimo war an der Unfallstelle tot gewesen und reanimiert worden). Fini hatte auch keine wesentlichen körperlichen Verletzungen erlitten (was sowieso an ein Wunder grenzt), nur ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.
Es hieß um ihr Leben bangen, das Gehirn durfte nicht zu sehr anschwellen, denn wenn der Hirndruck steigt, werden die Zellen zerstört und letztendlich die Durchblutung gekappt. Ich
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