Vier minus drei
Vordergrund rücken. Thimo hat uns trotzdem beigestanden, und bevor ich in den Wald spaziert bin, habe ich mir immer Kraft bei ihm geholt. Er ist so ein starker, zäher kleiner Kerl!
Zwei Tage vor seinem Tod ist Thimo getauft worden, auf den Namen Thimo Paul Leon Eberhart. Thimo hat sich das vor einiger Zeit gewünscht, er möchte Leon heißen, wie der von den wilden Kerlen. Mein wilder Kerl.
Das Erlebnis rund um Finis Tod ließ mich in der Nacht auf Montag eine Entscheidung fällen: Ich wollte bei Thimo sein, wenn er stirbt. Ich wollte ihn aktiv loslassen. Plötzlich war der Gedanke vom Abdrehen der Maschinen nicht mehr so grausam. Er war möglich geworden. Und dann wusste ich, wie es sein sollte: ein Fest. Ein Fest des Lebens und des Todes. Weil beides soooo nah beieinander liegt, ineinander, ach, es ist eins! Und weil niemand dies so gut spürbar machen kann wie dieser verrückte Haufen von Clowns, die Gott sei Dank meine Kollegen und Freunde sind, hab ich sie alle eingeladen, Thimo mit mir zu verabschieden. Da habe ich ein paar von ihnen schon kalt erwischt mit meinem Wunsch, sie mögen als Clowns kommen. Sieben Clowns waren da (mit mir acht) und mein Papa und eine der Freundinnen, mit denen Heli noch vor seinem Tod seinen Frieden geschlossen hatte und die nächsten Monat ihr zweites Kind bekommt.
Aus einem »Krankenbesuch« mit leiser, zarter Musik und Seifenblasen wurde ein Abschiednehmen mit dem Lied »Fly me to the moon«, oftmals gesungen, mit unmöglichen und wunderschönen Soli, und dann Thimos und meinem »Mutmach-Lied« mit spontanen Texten, makaber und tiefsinnig und banal. Thimo lag in meinen Armen, fast eine Stunde, die Schläuche wurden fast magisch aus seinem Mund entfernt, es war nichts Grausames dabei. Es war berauschend. Thimo war sooo nah bei mir. Und ist es immer noch. Und immer. Wir haben gelacht. Mein Lieblingsarzt in dieser Zeit, Dr. Baumgart, war dabei, er ist extra gekommen und geblieben. Sieben Schwestern waren im Hintergrund und haben geheult. Alle Gefühle waren in einem Raum. Das ganze Leben war im Raum und der ganze Tod.
Ich durfte Thimo so lange halten, wie ich wollte, und auch er wurde dann hingelegt, mit seinem Cosmo und seinem Seehund. Die Clowns haben mich hinausbegleitet. Hinaus ins Leben.
Barbaras Leben – seit dem 31.3.1974
Ich weiß, dass diese Energie, die ich heute verspüre, mich lange tragen wird. Sie wird mich zwischendurch auch auslassen. Ich werde traurig sein, natürlich. Ich bin auch jetzt sehr oft sehr traurig. Ich passe auf mich auf wie auf ein neugeborenes Baby, entscheide in jedem Moment, was ich brauche und was richtig ist. Das kann sich oft sehr schnell ändern.
Ich will in unserem Haus leben bleiben. Heli hat es für uns, für mich sooo schön gemacht. Ich wohne zwar momentan bei Freunden, aber ich war schon im Haus und es wird gehen. Glaube ich. Ich habe dort sooo viele stützende Freunde und Nachbarn, es ist unglaublich, mit welcher Energie mich diese Menschen begleiten und auch tatkräftig unterstützen. Ich werde diese Hilfe noch lange brauchen. Ich werde lernen müssen, um Hilfe zu bitten und sie anzunehmen. Auch wenn ich nicht dafür bezahlen kann, wie ich es immer gern gemacht habe.
Ich möchte wieder als Clown arbeiten gehen, irgendwann. Die tiefe Sinnhaftigkeit unseres Tuns durfte ich bei Thimos Tod erleben, und ich bin unglaublich froh, ein Teil dieser Kraft sein zu dürfen. Ich hoffe, dass es bald wieder geht.
Ich werde Geld brauchen, aber nur von denen, die es leicht geben können.
Ich bin am 4.4. zu einem Konzert von Ludwig Hirsch eingeladen und werde ihn kennenlernen dürfen. Das Programm heißt »Von Dunkelgrau bis Himmelblau«.
Ich lebe mit der tiefen Dankbarkeit, dass drei Engel sich entschieden haben, mich sieben Jahre meines Lebens zu begleiten.
Heli und Thimo und Fini werden verbrannt werden und im Garten ruhen, drei Bäume werde ich ihnen pflanzen mit ihrem Lieblingsobst.
Auf Helis Sarg wird »Waldemars Kiste« stehen, das war der Titel seines Clownstücks.
Wir wollen die drei Engel gern mit einem schönen Fest verabschieden. Die Clowns werden auch da sein, es wird viel Musik geben, und vielleicht könnt ihr einen Teil der Energie erleben, die ich erleben durfte. Die euch auch weiterträgt mit mir zusammen.
Die Abschiedsfeier für Heli, Thimo und Fini wird am Samstag, dem 29.3. am Gleisdorfer Friedhof stattfinden. Es werden sehr viele Menschen kommen und ich bin froh darüber. Alle Clowns, die kommen – wenn ihr
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