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Vier minus drei

Titel: Vier minus drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Pachl-Eberhart
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dich selbst getan? Das Schreiben hat dich keine Mühe gekostet. Kein Geld. Nichts. Wagst du wirklich, zu behaupten, du hättest dafür eine Gegenleistung verdient?
    Vielleicht entstehen ja die größten Geschenke, die man zu geben hat, am ehesten dann, wenn man sich nicht anstrengt?
Vielleicht sind die Gaben die wertvollsten, bei denen Geber und Empfänger in gleichem Maß Beschenkte sind?
    Möglicherweise.
    Ich darf nur ahnen, dass diese Gedanken berechtigt sind. Viele meiner Freunde habe ich inzwischen gefragt, ob ich ihnen noch etwas schuldig bin. Die meisten haben nicht einmal meine Frage verstanden.
    »Schuldig? Wie kommst du denn auf diese Idee? Natürlich nicht!«
    Es tut gut, diese Antwort immer wieder zu hören.
    Die strenge Stimme taucht trotzdem noch auf, ab und zu. Am liebsten nachts, wenn es sonst nichts zu denken gibt. Wenn sie allzu lästig wird, schlage ich ihr eine Betrachtungsweise vor, die ich vor einiger Zeit von meinem Therapeuten geliehen habe und, wenn es nach ihm geht, gern behalten darf:
    Die Menschen, die mir etwas schenkten, haben es freiwillig getan. Ihr Lohn besteht in der Freude, die es ihnen machte, dass sie einem Menschen in Not Gutes tun konnten.
    Das Wort »Danke«, es will trotzdem über meine Lippen, und es soll hier, an dieser Stelle, seinen besten, endgültigen Platz finden. Möge es alle erreichen, die je im Stillen Gutes getan haben.
     
    Karins Briefe wandern zurück in die große Kiste.
    Beim Aufräumen schlage ich noch einmal den Ordner der Bank auf, in dem ich die Überweisungsbelege der vielen Spenden gesammelt habe. Viele sind mit kleinen Notizen versehen:

    »Ich schicke dir Geld mit einer einzigen Auflage. Du darfst es nur für sinnlose Dinge ausgeben, die dir Freude machen.«
    »Tu, wonach dir ist! Mach alles, wozu du Lust hast.«
    »Gib auf dich acht, das ist das Wichtigste!«
     
    Geld.
    Währung. Nährung.
    In der langen Zeit, in der ich fast ausschließlich von Luft und der Liebe zu meiner unsichtbaren Familie zu leben schien, erquickte ich mich nicht zuletzt an der täglich wachsenden Gewissheit, dass ich vorläufig in finanzieller Sicherheit war.
    »Ihnen ist das Schlimmste passiert, was einem Menschen passieren kann.«
    Oft hörte ich Sätze wie diesen.
    Nein , dachte ich immer wieder, das kann man so nicht sagen.
    Was, wenn ich im Unfallwagen gesessen hätte und heute behindert wäre oder von Schmerzen geplagt? Würde ich ein solches Leben ebenso annehmen können, in Dankbarkeit und Demut? Könnte ich immer noch behaupten:
    »Das Leben ist schön«?
    Was, wenn Heli und ich am Morgen vor dem Unfall gestritten hätten? Wenn ich eines meiner Kinder gescholten hätte, in der Früh, in Eile? Ein Abschied im Bösen, ein letztes Wort, das nicht mehr rückgängig zu machen wäre?
    Ich habe Glück gehabt.
    Das äußerte ich einmal in einem Interview, vor laufender Kamera, ohne darüber nachzudenken, wie ironisch dieser Satz wirken könnte.

    Glück.
    Ich bezog mich auf den Frieden, in dem wir auseinandergingen. Kein schwelender Konflikt. Nichts, was unausgesprochen geblieben war.
    Es hätte anders sein können. Und alles, alles wäre anders gewesen.
    Es wäre, so vermute ich, ungleich schwerer gewesen, Frieden zu schließen mit mir selbst. Mir Fehler und Versäumnisse zu verzeihen, Rechnungen zu begraben, die offen geblieben wären.
    Das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann.
    Sind es die Vorwürfe, die man sich selbst macht? Oder ist es vielleicht die Angst?
    Wie hätte ich mich gefühlt, wenn meine langsame, behutsame Rückkehr ins Leben von Angst überschattet worden wäre? Von der Sorge, die Miete nicht mehr bezahlen zu können, den Strom, die Versicherung? Wenn das Ringen um die eigene Existenz das Tempo vorgegeben hätte, in dem ich mich der Welt wieder öffnen hätte müssen?
    Auch davor war ich verschont geblieben.
    Da waren zwar keine dicken Sparbücher in Helis und meinem Kleiderschrank. Keine Lebensversicherung und auch keine sonstigen Reserven. Heli und ich hatten von der Hand in den Mund gelebt. Die Zeit mit unseren Kindern war uns wichtiger gewesen als das Geldverdienen. Die Zukunft, um die wollten wir uns später kümmern. Dann, wenn die Kinder groß waren. Zu diesem Später sollte es nicht mehr kommen.
    Unsere Zukunft hatte sich mit einem großen Knall in Luft aufgelöst.

    Und doch brauchte ich keine Angst zu haben. Ich hatte Zeit. Es war für mich gesorgt. Denn drei Tage nach dem Unfall, als ich noch im Spital bei meinen Kindern saß,

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