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Vier minus drei

Titel: Vier minus drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Pachl-Eberhart
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(auch wenn wir diesen Sinn heute noch nicht oder nur zum Teil erkennen), wenn er aus irgendeinem Grund so geschehen musste, wie er geschah … dann musste es dafür auch einen Menschen geben, der die schwere Rolle des Lokführers übernahm.
    Dann musste es Sie geben.
    Wenn dem so ist, dann gebührt Ihnen, ja, ich wage es jetzt einfach: Es gebührt Ihnen Respekt. Respekt dafür, dass Sie sich, wenn auch sicher nicht freiwillig, für diese Rolle zur Verfügung gestellt haben.
    Ich ziehe meinen Hut vor dem Schicksal, das Sie tragen und verarbeiten werden, genauso wie ich meine Rolle annehme und in mein weiteres Leben integrieren werde. Wir sind beide Teil eines größeren Spiels, und ich maße mir nicht an, darüber zu urteilen, wer in diesem Spiel das schwerere Los gezogen hat. Eines jedenfalls weiß ich sicher: Wir tragen beide keine Schuld, niemand trägt Schuld.
    Zuletzt möchte ich Ihnen nur noch eines sagen:

    Ich bin sicher, dass meine Kinder dort, wo sie sich aufhalten, sehr, sehr glücklich sind. Sie haben sich dafür entschieden, gemeinsam mit ihrem Vater die Ebene zu wechseln. Die drei haben bestimmt viel Spaß miteinander und vermutlich wird ihnen die Zeit, bis ich wieder bei ihnen bin, bei Weitem nicht so lange vorkommen wie mir. Wahrscheinlich stellt sich dieses Thema für meine Familie gar nicht, denn sie ist sowieso in meiner Nähe. Auch jetzt.
    Und ich bin sicher, dass die drei auch auf Sie aufpassen werden, wohin auch immer das Leben Sie tragen wird.
    Ein Letztes: Ich bitte Sie, meinem Mann nicht böse zu sein. Er war es, dessen Fehler zu dem Unfall führte. Doch er hat es bestimmt nicht absichtlich gemacht.
     
    Ich wünsche Ihnen eine leichte, frohe Zukunft. Viele Begleiter. Viel Glück. Und das Gefühl, gebraucht zu werden.
     
    Mit freundlichen Grüßen,
Barbara Pachl-Eberhart
    Vieles geht mir nun durch den Kopf. Vor allem die Frage, ob ein solcher Brief wirklich hilfreich gewesen wäre. Wie hätte der Lokführer ihn aufgenommen? Hätte er meine Sicht der Dinge begreifen können, oder hätte er mich für verrückt gehalten? Glaubt er an ein Leben nach dem
Tod und daran, dass das Schicksal uns führt, wenn auch manchmal mit schmerzhaftem Griff?
    Wie würde ein Mensch, der diesen Glauben ablehnt, meine Zeilen lesen – würde er sie als Hohn verstehen oder als Ausdruck eines verwirrten Geistes, der sich in seinem Schmerz nicht anders zu helfen weiß?
     
    Ich hatte immer wieder Gespräche mit Menschen, die das, woran ich so fest glaube, nicht teilen wollten oder konnten. Anfangs mied ich diese Auseinandersetzungen lieber. Mein Glaube erschien mir fragil wie ein Kartenhaus, gerade erst erbaut aus neuartigem, noch nicht vertrautem Material:
    Meine Erlebnisse und Visionen in den Stunden und Tagen nach dem Unfall. Die Geschichten und Erklärungen, die ich in Büchern fand. Meine Träume. Mein sechster, siebter, achter Sinn.
    Ich zweifelte nicht an den Bausteinen. Ob allerdings die Statik des ganzen Gebäudes, das ich mir selbst zusammengezimmert hatte und vertrauensvoll meinen Glauben nannte, den Stürmen der Kontroverse und des Zweifels standhalten würde, das wusste ich nicht. Ich ahnte, dass mein Kartenhäuschen, das mir so lieb und unverzichtbar war, gewisse Sätze kaum vertragen würde.
    »Das gibt es doch alles nicht.«
    »Das bildest du dir doch nur ein.«
    Solche Behauptungen taten weh, erschütterten mich und ließen mich meist sprachlos und verwirrt zurück. Und das Schlimmste: Während ich mehr und mehr Übung darin bekam, im Außen Gespräche dieser Art zu vermeiden, nahm ich gleichzeitig wahr, dass die zweifelnden Stimmen
begannen, meinen eigenen Kopf zu besetzen und nicht aufhören wollten zu plappern.
    Ich konnte niemandem beweisen, was es war, das ich fühlte. Nicht einmal und schon gar nicht mir selbst. Noch heute bin ich in gewisser Weise zweigeteilt. Ich laufe durchs Leben mit einem unsichtbaren, warmen Mantel aus Liebe. Und zur gleichen Zeit mit einem Kopf, der denkt, zweifelt und unangenehme Fragen stellt. Ich erlebe täglich, dass ich von gütiger Hand geführt werde und darauf vertrauen darf, dass das Schicksal es gut mit mir meint. Zugleich habe ich manchmal auch Angst, vor dem Tod, vor der Vergänglichkeit. Davor, dass ich mir Helis, Thimos und Finis Nähe vielleicht nur einrede, so sehr ich sie auch als echt empfinden mag.
    Ich bin aufgewachsen in einer Zeit und einer Gesellschaft, in der nur das Gültigkeit hat, was man sieht. Mein Verstand hat gelernt, sich für sehr wichtig

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