Vier minus drei
trägt eine goldene Krawatte.
Sehr ernsthaft. Sehr förmlich. Mit dem Schicksal wird hier wohl nicht gespaßt.
»Bitte teilen Sie den Stapel in drei Teile.«
Ich zittere so stark, dass mir ein Teil der Karten aus der Hand fällt. Der erste Stapel entsteht somit von selbst. Den Rest teile ich in zwei Hälften, dann lehne ich mich zurück, schweißgebadet. Erschöpft von der verantwortungsvollen Aufgabe. Immerhin habe ich gerade über meine Zukunft entschieden.
Hoffentlich habe ich nicht die falschen Karten genommen. Können es überhaupt die falschen Karten sein? Mein Zittern, die Karten, die hinuntergefallen sind – sind auch sie Teil des Spiels?
Der Mann in Schwarz verteilt die Karten auf dem Tisch. Vier Reihen, acht Spalten. Er sieht mich eindringlich an.
Irgendwie erinnert er mich an den Herrn vom Bestattungsinstitut.
»Was möchten Sie wissen?«
Ich will ihm nichts über mich erzählen. So habe ich es schon vor Tagen entschieden. Ich will, dass er mir erzählt, wer ich bin. Ich weiß es ja selbst nicht mehr so genau.
»Ich möchte wissen, was mich im kommenden Jahr erwartet, auf allen Ebenen.«
Warum bebt meine Stimme so?
Der Blick des Wahrsagers wandert zu den Karten. Seine rechte Hand greift zum Pik-Buben, schiebt die Karte ein wenig nach rechts. Ein langer Blick, die Hand bleibt auf der Karte liegen.
»Haben Sie Kinder?«
Mein Gott, wieso gerade diese Frage?!
Die Schachtel Kleenex ist mir plötzlich sehr willkommen.
Ich bin wohl nicht die Erste, die hier heult.
Mit einem Mal lösen sich all meine Vorsätze in Luft auf.
Was bringt es, etwas zu verheimlichen? Dieser Mann weiß doch sowieso alles.
Schniefend erzähle ich also vom Tod meiner Familie. Ich jammere, dass ich nicht weiß, was aus mir werden soll. Dass ich mein Haus behalten will. Und mich gern wieder verlieben würde, irgendwann.
»Sie werden Ihr Haus nicht behalten, und das ist das Beste, was Ihnen passieren kann. Ich sehe einen Ortswechsel. Sie werden in eine andere, große Stadt ziehen, schon bald, und Ihre Wohnsituation wird sich sehr verbessern.«
Hä? Wo soll ich denn hin? Ich arbeite doch in Graz, da werde ich doch nicht umziehen!
»Sie arbeiten in einem künstlerischen Beruf, oder?«
Woher weiß er das bloß?
Ich nicke.
»Es warten neue Aufgaben auf Sie. Diese sind auch künstlerischer Natur, aber sie fordern Sie in einem anderen Bereich heraus als bisher. Es wird eine schöne Aufgabe, die Ihnen viel Geld bringen wird.«
Geld? Das gefällt mir. Ich muss meine Gesangslehrerin anrufen, vielleicht wird ja doch noch etwas aus der großen Karriere …
Ich habe aufgehört zu zittern. Fühle mich mutig. Stark. Das Schicksal ist auf meiner Seite.
»Werde ich jemals wieder einen Mann finden?«
Die Hand des Kartenlegers wandert zum Herz-König.
»Ja, er ist schon in ihrer Nähe. Er ist um einiges älter als Sie, und Sie werden sehr wichtig für ihn sein. Sie werden gut für ihn sorgen.«
Moment! Ich will keinen alten Mann, ich möchte mich doch nicht um einen Tattergreis kümmern!
»Der Mann wird für Ihre Zukunft sehr wichtig sein. Haben Sie noch eine Frage?«
Lieber nicht. Oder? Doch!
»Werde ich wieder Kinder haben?«
Der Wahrsager seufzt und studiert lange das Kartendeck.
Denkt er nach? Oder will er mich vor einer schmerzhaften Antwort bewahren?
»Sie sollten wissen, dass Sie, wenn Sie noch einmal ein Kind bekommen, immer, in jedem Augenblick Angst haben werden, es wieder zu verlieren.«
Mist! Hätte ich ihm lieber doch nichts vom Unfall erzählt!
»Das glaube ich nicht.«
Er muss ja nicht in allem Recht haben.
Der Herr in Schwarz übergeht meinen Einwand geflissentlich.
»Ich muss Ihnen jetzt noch etwas sehr Wichtiges auf Ihren Weg mitgeben. Merken Sie es sich gut.«
Sein eindringlicher Blick tut mir fast schon weh.
»Sie sind im Begriff, einen sehr ungewöhnlichen Weg zu gehen. Sie werden auf diesem Weg mit viel Unverständnis konfrontiert werden. Viele Menschen werden Ihnen Knüppel zwischen die Beine werfen. Jeder dieser Knüppel, jeder einzelne, soll Sie stets daran erinnern: Sie sind auf dem richtigen Weg! Vergessen Sie das nicht.«
Donnerlittchen!
»Und, was hat er gesagt?«
Sabine. Ich habe ihre Nummer schon im Treppenhaus gewählt. Brühwarm erzähle ich ihr alles, was ich seit ein paar Minuten von meiner Zukunft weiß.
Ein Ortswechsel. Eine neue Herausforderung. Der richtige Weg.
»Aber, ein alter Mann! Ich glaube nicht, dass ich das will.«
»Vielleicht ist er ja gar nicht so alt, wie
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