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Vier Tage im August

Vier Tage im August

Titel: Vier Tage im August Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Blatter
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hat deine Hunde umgebracht.
    Jemand? Warum, wer?
    Das darf nicht wahr sein.
    Und wo stecken die Welpen?
    Er beugte sich zu den Kadavern, berührte ihr Fell mit den Fingern. Die Hündinnen hatten einen grünlich gefärbten Schaum vor dem Mund und gebrochene, weit offene Augen. Geoff lag zusammengerollt wie ein Embryo im Zwinger. Geschlossene Augen. Erbrochenes hing ihm an den Lefzen. Sein Darm hatte sich entleert, es stank.
    Ruf die Polizei an.
    Ivo sollte die Polizei anrufen, unbedingt, gleich jetzt, und bemerkte, bevor er das Handy in der Hand hatte, dass Geoff wärmer war als die Hündinnen, dass in seinem Körper noch ein Herzschlag vorhanden war.
    Ein Herzflimmern.
    Geoff lag im Sterben.
    Es bestand kein Zweifel, aber auch keine Hoffnung. Geoff verendete. Um Ivos Herz legte sich ein eiserner Reifen, eng, er keuchte. In seinem Kopf arbeitete ein Muss. Er musste Geoff erlösen. Es war ein Gebot der Vernunft. Geoffs Leiden zu verkürzen. Die Entscheidung war gefallen, ohne bewusste Überlegung. Ein Ruck ging durch Ivos Körper. Er musste es hinter sich bringen. Seine Beine, die Arme, sie waren wie aus splittrigem Holz gemacht. Er stakste zum Haus. In seinem Büro herrschte ein Durcheinander. Er nahm es ohne Regung wahr. Jemand hatte hier gewütet.
    Im Bodenfach des Schranks lag seine Armeepistole. Und Munition. Der Übeltäter hatte sie nicht entdeckt. Er hätte zuerst einen Stapel alter Ruderzeitschriften ausräumen müssen. Die Pistole steckte im Futteral, seit seiner Ausmusterung aus der Armee unbenutzt. Er nahm die Waffe in die Hand, schob Patronen ins Magazin und lud durch.
    Sie funktionierte doch?
    Ivo glaubte, messerscharf zu denken, er glaubte, einen kühlen Kopf zu bewahren, er glaubte, vollkommen überlegt zu handeln. Er verließ das Haus, die geladene Waffe in der Hand. Und erblickte den großen Mann, den Riesen, der ihm mit weit ausgebreiteten Armen entgegenkam. Auf ihn zuschritt. Ein Monster. Halb Clown, halb Katze, bunt gekleidet, mit einem übergroßen Kopf, auf dem ein bedrohlich kleiner Hut saß.
    Der Typ kam, um ihn zu töten.
    Halt, Stopp– oder ich schieße.
    Der Clown blieb stehen. Nicht weit entfernt fuhr ein blauer Lancia aus dem Wald heraus und näherte sich langsam. Ivo wusste, dass er in der Falle saß, spürte, dass er keine Stimme mehr hatte, er konnte nur noch schießen. Er feuerte dem Monster vor die Füße. Ein Warnschuss. Der Fahrer des Lancia begann wild zu hupen. Sein Stakkato war ein Ablenkungsmanöver.
    Tom hatte seinen Vater überraschen wollen und mit Felix eine lustige Überrumpelung ausgeheckt. Er würde sich dem Haus als Kostümläufer nähern und Ivo mit Kapriolen zum Lachen bringen. Es durfte auch ein Fingerzeig sein: Schau, dein Sohn verdient sein Geld als Clown. Felix sollte mit dem Lancia Delta vorfahren, laut hupend, und mit einem Schwung parken, so wie sie das am Waldrand und auf einem abgelegenen Platz geübt hatten.
    Und nun dies.
    Ivo, blass, mit der Pistole in der Hand. Was war in seinen gewissenhaften Vater gefahren? Tom bekam es mit der Angst zu tun, er hatte Ivo nie mit einer Waffe in der Hand erlebt, trotzdem war ihm klar, dass sein Vater mit der Pistole umgehen konnte.
    Ich bin Tom,riefTom, was hast du denn?
    Ivo reagierte nicht. Tom bereute, dass er seinem Vater nie von seinem Job als Kostümläufer erzählt hatte. Wiederum konnte er den Kopf aus Pappmaschee nicht schnell genug absetzen, der Kopf war mit einem Gestell verbunden, das fest auf seinen Schultern ruhte; Tom hatte zuerst die Jacke aufzuknöpfen, und als er nervös damit begann, schoss sein Vater ihm vor die Füße. Gras und Dreck spritzte hoch. Tom erstarrte, erwog einen weiteren Schritt hin zum Vater, wagte ihn nicht, blieb stehen. Die steifen Glieder gehorchten ihm nicht länger. Die Erkenntnis, dass ein Clown nicht nur etwas Tollpatschiges hatte, sondern offenbar auch etwas Furchterregendes, lähmte ihn.
    Ivo hob den Arm, zielte erneut auf ihn, gab einen weiteren Schuss ab. Die Kugel fetzte eine Handbreit über seinem Schädel durch den Hohlraum, zerstörte den Ventilator, durchschlug den riesigen Kopf aus Pappmaschee. Tom merkte, dass sein Schließmuskel, den er eben noch fest zusammengekniffen hatte, sich löste. Beim nächsten Schuss würde er sich die Hose vollmachen. In seiner Sterbensangst errettete ihn ein Hupen, Felix hupte, er hupte S.O.S. und riss die Tür des Lancia auf und wirbelte hektisch auf Ivo zu, der immer noch dastand, desorientiert, die Hand mit der Pistole aber sinken

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