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Vier Tage im August

Vier Tage im August

Titel: Vier Tage im August Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Blatter
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Sitzbank ein sattes Rosa benutzt. Felix freute sich auch auf Ivos Hunde. Eine Hündin hatte Junge geworfen. Wenn sich die Erwachsenen in wortreichen Gesprächen verstrickten, ruderte er, meist mit Geoff, auf den See hinaus. Geoff war ein Trüffelhund. Felix gefiel es, wenn der Rüde aufgeplustert im Bug stand, knurrte und die Enten angiftete. In den See sprang er nie. Furcht erregte er nur als Kläffer. Ein Hund im Wasser war ungefährlich. Felix hatte sich mit Geoff angefreundet und teilte mit ihm Käsebrote und Schokoriegel.
    Felix wusste aus eigener Erfahrung, wie mulmig Tom jedes Mal zumute war, wenn er den Vater besuchte. Dabei war Ivo keiner von der schlimmen Sorte, er hatte seinen Sohn ganz bestimmt nie im Stich gelassen. Felix begleitete seinen Freund auch, um ihm den Rücken zu stärken. Väter konnten einem das Leben ganz schön schwer machen. Felix merkte, dass seine Mundwinkel zu zucken anfingen, und zog die Unterlippe in den Mund, um den Tick abzustellen.
    Tom hing seinen Gedanken nach. Sein Vater war noch jetzt größer und kräftiger als er, und ruderte, als wisse er sich gerufen, jeden Tag mit dem Skiff auf den See hinaus. Wenn Tom neben dem stählernen Ivo stand, war es ihm, er, der Sohn, sei eher aus Knetmasse geformt worden. Leider betrachtete er niemanden derart kritisch wie seinen leiblichen Vater. Er liebte ihn, ja: Aber er wollte auf jeden Fall anders sein. Nicht so stur, verbissen und rechthaberisch. Kein Naturwissenschaftler. Tom wollte nicht alles verstehen müssen. Er brauchte nicht so viel Struktur.
    Emily tickte wie sein Vater, dachte Tom, sie sollte Ivos Tochter sein. Eine Tochter wie Emily hatte sich sein Vater ganz bestimmt immer gewünscht.
    Früher hatte Tom die Schulferien bei seinem Vater im Haus am See verbracht, genauso wie später Emily. Die Kleine war der Liebling seines Vaters gewesen, hatte Leuchtkäfer gesammelt, in ein Glas gesperrt und sie Ivo als Nachtlicht geschenkt. Damit du im Dunkeln keine Angst haben musst. Das Mädchen hatte ihn verzaubert. Er sah darüber hinweg, dass sie die Tochter von Paul Fontana war. Er lud sie jedes Jahr wieder ein. In seinen Ferien hatte sich Tom oft mit der Vorstellung gequält, sein Vater, der als Jugendtrainer arbeitete, messe ihn an den auf dem See um den Sieg kämpfenden Ruderern. Manche waren gleich alt wie Tom, aber robuster, sie hatten bessere körperliche Voraussetzungen, mehr Muskeln und Willenskraft, und er glaubte, der strenge Vater zöge einen Sohn vor, der mit ihnen konkurrierte und sie hinter sich zurückließe. Siegen zollte er Anerkennung. Eher als tausend gelesenen Seiten. Nur wollte Tom halt in keinem Boot sitzen, weder in einem Skiff noch im Achter, nicht einmal als Steuermann. Lieber ruderte er mit dem schwerfälligen Kahn zur Seemitte. Dort schrieb er Gedichte. Und zerriss sie und streute die Papierschnipsel in den See.
    Außerdem war Ivos Zuneigung zu Iris nicht erloschen; Iris, Toms Mutter, hatte ihn zwar verlassen, aber alle Stürme, die dabei ausgebrochen waren, hatten die Verankerung in seinem Herzen nicht lösen können. Das Ende ihrer Ehe überschattete die zusammen verbrachten Jahre nicht gänzlich. Er wollte die Zeit mit Iris nicht missen. Tom hatte seine Eltern nie im bitteren Streit erlebt, es hatte bei der Scheidung kein Gemetzel gegeben.
    Felix hatte sein Handy ausgeschaltet und den Stöpsel des iPod aus den Ohren entfernt. Ohne Gerät und Kabel saß er neben Tom wie amputiert. Aber es war für Felix ein idealer Nachmittag kurz vor der Krönung. Sobald Tom das Grundstück seines Vaters erreichte, dort wo die holprige Straße in den Schotterweg überging, hielt er an, stieg aus und ließ Felix das letzte Stück bis zum Haus fahren. Das machten sie seit einem Jahr so, und es würde sich nichts daran ändern, nur weil sie jetzt mit Toms nagelneuem Lancia Delta unterwegs waren. Zumindest machte sich Felix deswegen keinen Kopf. Warum sollte Tom ihn im neuen Wagen nicht mehr ans Steuer lassen? Er fuhr doch schon richtig gut.
    Weißt du, dass Vögel nur mit einer Hirnhälfte schlafen?
    Nein, antwortete Tom.
    Wenn Vögel am Tag einschlafen, schließen sie meistens nur ein Auge. Das andere beobachtet die Umgebung. Müde sind sie nach dem Aufwachen aber nicht mehr, sagte Felix.
    Hast du das in der Schule gelernt?
    Nö. Hab ich vom Internet.
    Wikipedia?
    Nö. Biology Letter.
    Seit wann interessieren dich Vögel?
    Der einseitige Schlaf, auch wenn er nur Sekunden dauert, ist für die ruhende Gehirnhälfte genauso

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