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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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die Entwarnung kam, fiel ich nur noch todmüde ins Bett.
    Am nächsten Morgen fuhren wir in die nächste Raumverantwortung. Dünne Staubwolken hingen über dem Tal, einige Kinder trieben bereits ihre Herden auf die Felder. Während wir durch die Einfahrt fuhren, bemerkte Mica, dass ein Flügel des großen Tores am Eingang fehlte. Er war einfach an die Außenmauer gelehnt worden.
    Die Scharniere sind abgebrochen, meinte ein Soldat aus der Kompanie, die wir ablösen sollten. Keine Ahnung, wann das repariert wird.
    Vom Polizeihauptquartier aus wurden wir direkt auf die Westplatte befohlen, um die Zufahrt nach oben und die kleine Brücke zu bewachen. Die Kameraden dort waren heilfroh, als wir sie endlich ablösten.
    Der Morgen war ruhig und die Luft inzwischen klarer. Wir hatten einen guten Blick ins Tal. Der Transportpanzer von Nossis Trupp stand etwa zweihundert Meter von uns entfernt in die andere Richtung gedreht. Bereits nach kurzer Zeit schien ihnen das Herumsitzen im Panzer langweilig zu werden. Sie liefen auf dem Dach herum und warfen mit Steinen. Auch wir waren inzwischen deutlich gelassener geworden.
    Muli verlangte, dass einer von uns auf dem Dach Wache hielt. Die anderen hatten die Schutzwesten ausgezogen und die Türen geöffnet. Hardy streckte die Beine über zwei Sitze aus und spielte mit Micas Gameboy. Muli und ich versuchten ein paar Kamele zu streicheln, die in unmittelbarer Nähe unseres Dingos herumstanden und erschreckt aufsprangen, als wir uns näherten.
    Die Afghanen, die vorbeikamen, grüßten freundlich oder ignorierten uns einfach, man hatte sich an unsere ständige Anwesenheit hier oben gewöhnt.
    Seit wir die Zufahrt zur Westplatte dauerhaft bewachten, waren immer wieder Hunde zu uns gekommen, die von Anfang an großes Zutrauen zeigten. Es waren keine sehr ansehnlichen Tiere, vermutlich waren sie alle krank, und sie erregten sofort unser Mitleid. Vielleicht lag es auch daran, dass sie einfach auf uns zukamen, keine Vorbehalte uns gegenüber kannten.
    Ein besonders struppiger Hund mit grauem Fell und traurigen Augen hatte es Mica angetan. Das Tier ließ sich gerne von ihm streicheln, und Mica gab ihm eine unserer Notrationen und füllte Wasser in die Schale, nachdem der Hund sie begierig leergefressen hatte. Anstelle der Ohren besaß er nur noch kurze, unansehnliche Fransen. Auch der Schwanz war nur noch ein Stummel.
    Die schneiden denen das ab, damit sie sich nicht dran verletzen können, erklärte Muli uns.
    Wir waren fassungslos.
    Mica schimpfte noch eine ganze Weile über diese Grausamkeit.
    Na, hast du einen neuen Freund gefunden?, witzelte TJ.
    Auf jeden Fall, und er ist auch viel hübscher als du, feixte Mica zurück.
    Die Hunde erschienen, sobald wir ein paar Minuten dort oben standen, und legten sich zum Schlafen neben unser Fahrzeug. Ganz so, als ob sie wüssten, dass sie von uns nichts zu befürchten hatten. Aber sobald ein Afghane vorbeikam, fingen sie an zu kläffen und zu knurren. Sie waren unsere Alarmanlagen.
    Während unserer Wachen auf der Westplatte wurden wir oft von zwei Jungen besucht. Sie hüteten eine große Herde Schafe und trieben sie auf der Suche nach ein paar kargen Grasbüscheln immer in unsere Nähe. Die Jungen waren vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt und trugen abgerissene Gewänder. Anfangs waren sie noch schüchtern gewesen, hatten sich nur mit Argwohn genähert. Irgendwann trauten sie sich bis an unseren Dingo heran.
    Wir gaben ihnen Wasser, später auch mal einen Schokoriegel. Und weil sie ständig rauchten, verteilten Hardy und Mica an sie Zigaretten.
    Besser, die rauchen mal was Vernünftiges, als immer nur ihre Kamelhaare, hatte Hardy verkündet.
    Den einen, der immer aufdringlich nach Zigaretten fragte, nannten wir Smokey. Den anderen, der zurückhaltend war und dessen Pupillen in zwei verschiedene Richtungen zeigten, Schieli. Smokey und Schieli waren uns irgendwann richtig ans Herz gewachsen. Heute sollten sie etwas Besonderes erleben.
    Ich sah sie schon von weitem, als sie ihre Herde langsam durch die Wüste in unsere Richtung trieben. Mittlerweile konnte ich schon viele Sätze sicher auf Dari formulieren und begrüßte sie freundlich. Nach der ersten Zigarette kramte ich aus einer Tasche zwei Trikots und einen Fußball hervor. Dazu noch ein Paar Torwarthandschuhe. Die Sachen waren nagelneu, und ich forderte sie auf, alles anzuprobieren. Während Mica und Muli laut lachen mussten, als sie die Shirts ein wenig unbeholfen anzogen, werde ich niemals

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