Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
überqueren.
Wir mussten über einen breiten und sehr tiefen Graben springen, der mit trübem Wasser gefüllt war. Simbo, der die große Panzerfaust trug, stolperte und landete im Ufermatsch.
Verfickte Scheiße, ich könnt kotzen, schimpfte er laut.
Reiß dich zusammen und geh weiter, fuhr Nossi ihn ungeduldig an.
Hinter der Kreuzung befand sich eine kleine Ruine. Bunte Fähnchen kündeten daneben wieder von einer Begräbnisstätte. Diesmal waren die Gräber sogar von flachen Lehmmauern umgeben und dadurch klar erkennbar. Wir verteilten uns rechts und links neben der Ruine. Muli und ich fanden hinter einem flachen Mauerstück Deckung, nachdem wir einen Blick in die Friedhofsruine geworfen hatten.
Hier könnte man prima einen Sprengsatz verstecken, meinte ich beunruhigt.
Aber es war die einzige Deckungsmöglichkeit.
Wir lagen nun auf einem schmalen Wiesenstreifen, der wie ein Korridor vor Quatliam lag. Rechts und links wurde er von Baumreihen begrenzt. Das Dorf lag uns in hundert Metern Entfernung gegenüber. Misstrauisch beobachtete ich es durch mein Zielfernrohr. Die Kampfmittelbeseitiger waren schon dabei, die Kreuzung abzusuchen. Lautes Brummen verriet, dass einer der Schützenpanzer die Position wechselte.
Auf einmal erschien ein Bauer hinter uns auf der Kreuzung. Er musste aus Isa Khel gekommen sein, denn die anderen hinter uns hatten ihn erst im letzten Moment bemerkt. Er verließ die Hauptstraße und betrat einen schmalen Feldweg, der neben uns nach Quatliam führte, und trieb eine Kuh vor sich her.
Muli sprang auf und befahl ihm, anzuhalten. Dann fragte er ihn nach Aufständischen. Taliban, Taliban, rief Muli immer wieder und zeigte in Richtung Quatliam.
No Taliban, war die Antwort des Bauern, woraufhin Muli ihn weitergehen ließ.
Das ist scheiße, murmelte er. Der weiß jetzt genau, wo wir liegen, weil er unsere Stellungen von hinten gesehen hat.
Vielleicht war es wirklich nur ’n harmloser Bauer, flüsterte ich optimistisch.
Langsam trieb der Bauer die Kuh auf das Dorf zu. Er war ein sehr alter Mann mit langem grauen Bart. Die Sonne und die harte Arbeit hatten tiefe Furchen in sein braungebranntes Gesicht gegraben. Er hielt den dünnen Stock, mit dem er die Kuh trieb, in seinen zitternden Händen. Sein Gang wirkte gebrechlich, mühsam schleppte er seine Sandalen über den steinigen Weg. Ich hatte Mitleid mit ihm.
Das erste Gebäude des Dorfes lag auf der linken Seite. Eine hohe Mauer erstreckte sich rechts davon und bildete vor uns eine Barriere, die über die gesamte Wiese reichte.
Wie eine Festung, dachte ich, als der Bauer Quatliam fast erreicht hatte.
Die Sonne stand bereits tief am Horizont, und die Abenddämmerung versprach bald kühlere Luft. Die Kampfmittelbeseitiger schienen auf der Kreuzung fast fertig zu sein, und wir erwarteten den baldigen Rückmarsch.
Plötzlich ließ der Bauer die Kuh mitten auf dem Weg stehen. So schnell, wie er den Stock fallen ließ, schien er auch seine Gebrechlichkeit abzuschütteln und rannte hinter das Lehmgebäude. Es dauerte nur zwei Sekunden, da tauchte er wieder auf und setzte seinen Weg fort, als wäre nichts geschehen.
Muli schaute mich verdutzt an.
Dann sah ich wieder nach vorne. Auf der Mauer tauchte ein braunes Gewand auf. Es erschien urplötzlich und aus dem Nichts zu kommen. Nach dem Bruchteil einer Sekunde knallte es und ein Lichtblitz schoss uns entgegen.
Mit einer gewaltigen Explosion schlug eine Panzerabwehrrakete in der kleinen Friedhofsruine neben uns ein.
Es war das erste Mal gewesen, dass ich einen Feind vor dem ersten Schuss gesehen hatte.
Kontakt, Kontakt!, brüllten wir alle fast gleichzeitig.
Ich konnte nicht mehr erkennen, ob der gleiche Schütze noch mal auf uns schoss, aber es knallte wieder.
Gleich darauf hörte ich das bekannte Knattern einer Kalaschnikow. Dann waren es zwei. Sie kamen von verschiedenen Stellen entlang der Mauer, überall zuckte Mündungsfeuer auf.
Jetzt schienen die anderen richtig wütend zu werden. Nach dem ersten Schuss waren Mica und Hardy in die Deckung der Gräber gesprungen. Hinter den niedrigen Lehmmauern konnten sie perfekt ihre Waffen in Stellung bringen. Nossis Trupp lag hinter zwei kleinen Hügeln auf der rechten Seite, Muli und ich waren immer noch an der Ruine. Während ich versuchte, etwas zu erkennen, schossen die anderen aus allen Rohren. Jonny und Mica ließen ihre Maschinengewehre singen. In kleinen Staubwolken schlugen die Geschosse am Haus und an der Mauer ein.
Da tauchte der
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