Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
ging.
Bring ihn zu den Fahrzeugen, befahl Muli.
Melde uns über Funk an, damit die nicht auf uns schießen, sagte ich eindringlich.
Dann zog ich Micas Arm über die Schulter und humpelte mit ihm los. Alter, was hast du denn gegessen?, flüsterte ich.
Keine Ahnung, aber geh bitte langsamer, keuchte er zurück.
Nach wenigen Schritten trennte uns nur noch ein schmales Baumwollfeld von den Fahrzeugen.
Hast du die Fahrzeuge erreicht?, funkte ich Muli an.
Ich komm nicht durch, wahrscheinlich unterdrückt der Jammer den Funkverkehr.
Ich setzte Mica auf dem Boden ab und gab mit dem Infrarotlicht meines Nachtsichtgeräts Signale in Richtung der Fahrzeuge. Dann half ich Mica auf, und wir verschwanden zwischen den Baumwollpflanzen. Einerseits war ich froh, endlich wieder in der Nähe der Fahrzeuge zu sein. Andererseits stellte ich mir vor, wie die Kameraden dort oben reagieren würden, wenn sie meine Signale nicht sahen und sich jemand durch die dichten Baumwollpflanzen an sie heranarbeitete. Bei jedem Schritt raschelte und knackte es. Schließlich erreichten wir eine Mauer und ich zischte immer wieder: Zwei Mann von rechts! durch die Dunkelheit.
Erleichtert stellte ich fest, dass sie mich bemerkt hatten. Die Heckklappe eines Schützenpanzers stand offen und erhellte die Straße mit schwachem roten Licht.
Zwei Kameraden eilten herbei, und gemeinsam wuchteten wir Mica über die Mauer. Dann ließ mich auf den neuesten Stand bringen.
Der Kampfmittelbeseitiger ist schon am Doppelculvert. Da drin liegt ’n Riesenei, meinte einer der Soldaten. Fünf Artilleriegranaten und ein Kanister mit Dünger, um die Bombe auszulösen. Wir sollen alle zweihundert Meter Abstand halten, bevor er mit der Räumung beginnt.
Wo ist denn der Doppelculvert?, wollte ich wissen. Ich konnte immer noch nichts erkennen.
Dreißig Meter vor uns. Wir setzen die Fahrzeuge jetzt zurück.
Ich geh zurück zu den anderen, meinte ich und machte mich auf den Weg zurück ins Baumwollfeld.
Oh Mann, stöhnte ich, als ich mich endlich wieder setzen konnte, und trank gierig einen Schluck Wasser.
Was für eine Bombe!, sagte Jonny, fast schon mit Bewunderung in der Stimme.
Jemand hatte ein langes Kabel verlegt, das vom Doppelculvert in einem Graben wegführte. Darüber hätten sie dann die Bombe gezündet. Es war wirklich ein Riesending. Fünf Artilleriegranaten hätten wahrscheinlich ausgereicht, um einen Schützenpanzer zu zerfetzen. Das war auch wohl ihre Absicht gewesen. Wir waren heilfroh, dass der Kamerad vom Foxtrott Zug so gut aufgepasst hatte.
Die Räumung verlief problemlos, dauerte aber ziemlich lange. Der Kampfmittelbeseitiger sprengte zuerst das lange Kabel durch. Dann holte er die Granaten einzeln aus dem Abwasserrohr unter der Straße.
Wenigstens ham die dadurch auch ’nen logistischen Schaden erlitten, bemerkte Nossi später. Schließlich besorgt man mal nicht eben so fünf 120-Millimeter-Granaten und versteckt sie unter ’ner Brücke.
Noch Tage später war Muli völlig aufgekratzt, weil wir nach der Aktion in Khalalzay auch noch die Bombe der Aufständischen gefunden hatten.
Das alles war enorm wichtig für uns, verkündete er. Was glaubt ihr, wie doof die geguckt ham? Erst geh’n wir in das Dorf rein und die verlier’n ihre rückstoßfreie Kanone. Und dann klauen wir denen auch noch die Riesenbombe, die sie aus Rache gelegt ham, einfach super!
Muli hatte richtig gute Laune. Diese wurde erst getrübt, als wir hörten, dass die Amerikaner uns um Unterstützung in Nar-i-Sufi baten. Wir sollten sie dort ablösen, damit der gewonnene Raum nicht verlorenging. Doch der Antrag wurde wegen fehlender Kapazitäten abgelehnt. Also zogen die Amerikaner ab und überließen das Dorf wieder den Aufständischen. Sie hatten dort in den vergangenen Tagen gekämpft, und wir fühlten uns erneut wie Verräter. Sie ließen es uns nicht spüren.
It wasn’t your fault. Es war nicht eure Schuld.
FLORIAN
Mein Blick auf das Feldlager veränderte sich. Während ich vor kurzem noch froh gewesen war, seiner Enge zu entkommen, wenn es nach draußen ging, fühlte ich mich jetzt wie in einem Feriendorf, sobald wir wieder hereinkamen. Wie die meisten unserer Kompanie trug auch ich keine Waffe im Feldlager. Ich fühlte mich hier sehr sicher. Und da vom Koch bis zum Mechaniker jeder Soldat des Feldlagers wenigstens seine Pistole immer dabei hatte, war ein deutlicher Unterschied zu uns erkennbar.
Ich verkroch mich in meinem Container und ging nur zum Essen oder
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