Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
schaukelte noch ziemlich hin und her, stand aber wieder fest auf der Straße. Weil wir weiterfuhren, hatte ich keine Zeit zum Verschnaufen. Mein Herz raste immer noch vor Schreck, und ich schwitzte noch mehr als sonst.
TJ ist inzwischen ein verdammt guter Fahrer geworden, dachte ich anerkennend.
An den Berghängen, die auf der anderen Seite lagen, tauchten immer wieder kleine Dörfer auf. Selbst in Afghanistan hatte ich noch keine ärmlichere Ansammlung von Hütten gesehen. Die dürftigen Lehmbehausungen wirkten trotz des Sonnenscheins düster und abweisend, die meisten hatten nicht einmal eine Tür. Obwohl wir die Situation hier inzwischen kannten, war ich immer wieder fassungslos, welche Armut in diesem Land herrschte.
Schließlich kamen wir vom Gebirge in die flache Ebene. Die Straße nach Baghlan war immer noch asphaltiert und verlief auf einem erhöhten Damm. Wir näherten uns einem Culvert, wie über Funk von vorne gemeldet wurde. Als wir ankamen, konnte ich einen dünnen Baumstamm erkennen, der über einem Abwasserrohr lag.
Das sieht wie ein total klassischer Hinterhalt aus, rief ich Muli zu.
Ich hatte es nicht wirklich ernst gemeint, denn dafür erschien mir der dünne Stamm zu offensichtlich eine Falle zu sein. Aber Muli befahl TJ instinktiv, ordentlich Gas zu geben. Es holperte nur ein wenig, als wir über die notdürftige Brücke rasten.
Wenige Sekunden später knallte es gewaltig. Nossis Transportpanzer fuhr hinter uns, und er meldete sich über Funk.
Kontakt, wir sind angesprengt worden. Keine Ausfälle.
Noch ehe ich den Funkspruch richtig realisieren konnte, knallte es links und rechts des Fahrzeugs.
Kontakt!, brüllten Hardy und ich gleichzeitig.
Wir starrten aus dem Fenster und erkannten Mündungsfeuer, das in den Gräben und Buschgruppen, Mauern und Gehöften und einfach von überall her aufblitzte.
Das gibt’s doch nicht, schoss es mir durch den Kopf.
Ein Haufen Funksprüche durchbrach die Hektik im Innenraum.
Wir werden beschossen! Angriff von links! Beschuss von rechts! Zwei Männer aufgeklärt, linke Seite, Entfernung einhundert!
Plötzlich übertönte der Chef das Durcheinander an Funksprüchen.
Ich befehle durchzubrechen. Die ganze Kompanie: Vollgas!
Mica kurbelte wie wild an der Waffenanlage herum. Ich kann nichts erkennen, brüllte er. Zu viel Staub!
Auf einmal spürte ich einen Schlag an meiner Tür. Dann noch einen. Und einen Dritten. Erschrocken griff ich mit der Hand ans Bein.
Wir wurden getroffen, rief ich erregt nach vorne. Keine Schäden erkennbar!
Mir schlug das Herz bis zum Hals. Ich merkte, dass sich ein Beschuss noch schlimmer anfühlte, wenn ich im Fahrzeug saß, da ich nirgends hinkonnte. Keine Mauer, hinter die ich kriechen, kein Graben, in den ich springen konnte. Es war ein furchtbares Gefühl der Hilflosigkeit.
Schließlich rasten wir aus der Gefechtszone heraus. Unsicher blickte ich durch die staubige Scheibe, versuchte, die Umgebung zu analysieren. Drohte noch Gefahr? Lauerten sie uns noch mal auf?
Endlich tauchte der OP North vor unseren Augen auf, und meine Angst und Anspannung fielen von mir ab. Der deutsche Außenposten in Baghlan befand sich auf ein paar Hügeln, auf denen wir Zelte und Funkmasten erkannten. Keine komfortablen Straßen, keine grünen Büsche und Bäume, wie sie im Feldlager in Kundus oder Mazar-e-Sharif zu finden waren.
Als die gesamte Kompanie endlich in dem staubigen Vorposten versammelt war, konnten wir die Gefechtsschäden begutachten. Die Angreifer hatten ganze Arbeit geleistet. An drei Fahrzeugen hingen die zerschossenen Reifen schlaff auf der Felge. Fast überall gab es Einschusslöcher und bei Nossis Transportpanzer Splitter in der hinteren Tür. Die Bombe hatte zum Glück erst knapp hinter dem Fahrzeug gezündet. In meiner Tür befand sich ein fingerdickes Loch in der Panzerung. Das Projektil steckte sogar noch drin. Insgesamt war die Sache sehr glimpflich verlaufen, aber der Feind hatte wieder einmal gezeigt, dass er uns unerwartet treffen konnte.
Bei der Einsatzbesprechung in Kundus hatten wir damit gerechnet, unsere Kameraden schnell unterstützen zu müssen. Stattdessen stellte sich heraus, dass sich die Lage wieder beruhigt hatte. Ein Vorposten mit Milizen war tatsächlich überrannt worden und die Eingreiftruppe aus Mazar-e-Sharif war in zum Teil schwere Gefechte verwickelt worden, als sie diesen Vorposten wieder freikämpften. Dafür hatten sie zwei Tage gebraucht, aber inzwischen war die Lage wieder unter
Weitere Kostenlose Bücher