Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
die gegenüberliegende Seite ab. Das Haus! Ein paar Gestalten huschten dort entlang. Sie war nicht viel mehr als schwarze Umrisse, doch ich konnte deutlich ihre Waffen ausmachen.
An dem Gebäude, rechts von der Baumreihe!, rief ich den anderen zu.
Sie brachten ihre Waffen in Stellung.
Ich kann nichts erkennen, gab Muli zu verstehen.
Ich seh sie!, brüllte Mica.
Ein paar von uns fingen an zu schießen. Die Männer blickten auf und sprangen dann erschreckt zwischen die Mauerstücke. Einer stand weiter oben an die Wand gelehnt und blickte in unsere Richtung. Ich zielte sorgfältig. Presste die Waffe in die Schulter, bewegte den Finger ruhig über den Abzug. Fand den Druckpunkt und kontrollierte meine Atmung. Über uns lächelte die Sonne, als ich mein Gewehr abfeuerte.
Der Körper des Mannes zuckte deutlich, dann verschwand er in der Staubwolke, die mein Schuss ausgelöst hatte.
Als ich wieder etwas erkennen konnte, war er verschwunden. Ich blickte nur eine Sekunde durch das Zielfernrohr, als sie wieder anfingen, auf uns zu schießen. Ich hörte ein pfeifendes Geräusch, gleich darauf spritzte der Lehm neben mir auf. Ich stolperte und fiel nach hinten. Rappelte mich wieder auf, drängte mich an die Mauer. Den Kopf ließ ich unten. Neben mir gab Muli lautstark seine Befehle. Dann fing er an zu sprechen und konzentrierte sich auf das Funkgerät.
Er wird doch jetzt nicht aufstehen, schoss es mir durch den Kopf.
Muli streckte sich und versuchte beim Funken einen Ausblick zu bekommen. Währenddessen pfiff es über unseren Köpfen. Ich riss ihn an der Schulter herunter.
Alter, bleib unten!, schrie ich ihn an.
Er guckte erst verdutzt und fing dann an zu grinsen.
Siehst du, deshalb musst du auf mich aufpassen, verkündete er.
Kaum war der feindliche Geschosshagel verebbt, ging der Beschuss in weiter Ferne wieder los. Jetzt lag der Foxtrott Zug unter Feuer.
Die heizen uns ganz schön ein, bemerkte Muli.
Unsere Stellung hier an der Mauer ist scheiße. Viel zu offen und viel zu sichtbar, sagte ich und versuchte dabei wieder ruhig und gelassen zu wirken. Innerlich aber war ich aufgewühlt. Denn wir konnten hier nicht weg. Es war die einzige Möglichkeit, den Feind im Norden zu überwachen.
Der Beschuss flammte wieder auf, aber ich schaffte es nicht mehr, über den Rand der Mauer zu blicken. Stattdessen kümmerte ich mich um andere Dinge. Während die Sonne höher stieg, erinnerte ich die anderen unablässig daran, ausreichend zu trinken und sich beim Überwachen der Freifläche abzuwechseln. Aber sobald ein Schuss fiel, sackte ich gelähmt vor Angst hinter der Mauer zusammen.
Um sich doch noch einen Überblick zu verschaffen, robbte Muli irgendwann in die äußerste rechte Ecke der Mauer. Dort machte sie einen Knick und lief parallel zu uns wieder in Richtung Schonung. Er streckte den Kopf nach oben und blickte nach Norden. Plötzlich zerschlug ein einzelner Schuss die Stille. Als ich Muli ansah, erstarrte ich vor Schreck. Der Staub wirbelte noch durch die Luft, der Rest von uns hatte es nicht bemerkt. Mulis ausdruckslose, weit aufgerissenen Augen starrten mich an. Mir rutschte das Herz in die Hose. Fassungslos starrte ich in seine Richtung. Er hockte mir regungslos gegenüber. Die Sonne brannte unerbittlich auf den kleinen Flecken, der im Moment unsere einzige Zuflucht war. Aber für mich war diese Zuflucht zerbrochen. Ein Schuss hatte Muli um Haaresbreite verfehlt. Das Projektil war wenige Zentimeter neben seinem Kopf in die Mauer eingeschlagen. Der Lehm hatte das todbringende Geschoss für immer verschluckt. Noch immer starrten Muli und ich uns an.
Oh Mann, entwich es schließlich meinem Mund.
Oh Mann, echote Muli.
Der Feind hatte sich auf unsere Stellung eingeschossen und vereitelte mit gezielten Schüssen, dass wir uns über der Mauer einen Überblick verschafften.
Da muss irgendeiner weiter vorne in einem Graben sitzen, meinte Muli. Ich seh mal nach. Gebt mir Deckungsfeuer!
Ich blieb neben ihm sitzen und blickte ihn verständnislos an. Ich hätte die Sache lieber ausgesessen und wünschte, der Tag wäre schon vorbei.
Fürs Deckungsfeuer musst du mit deiner Waffe über die Mauer schießen!
Muli schaute mir vorwurfsvoll in die Augen. Ich ärgerte mich wahnsinnig, dass er es ansprechen musste, weil ich es nicht schaffte, mich zu bewegen. Als ob ich noch ein Rekrut wäre.
Er zählte bis drei, und wir alle gaben ein paar Schüsse ab, während er über den Rand der Mauer lugte. Ich schoss ein paar Löcher
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