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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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leise: Das Ganze hat ihn ziemlich mitgenommen. Er hat zum Chef gesagt, dass er mit dem Golf Zug nicht mehr ganz vorne dabei sein möchte. Das bleibt aber unter uns, verstanden?
    Natürlich, bekräftigte ich.
    Wir schwiegen eine Weile. Dann sagte ich energisch: Weißt du, es ist völlig okay, wenn er Probleme hat. Aber er ist unser Zugführer. Und ich find’s scheiße von ihm, dass er seine eigenen Gefühle auf den ganzen Zug überträgt. Schau dir Simbo an. Die meisten sind noch motivierter als am Anfang. Ich hab auch Schiss, aber ich zieh mit euch mit und arbeite nicht gegen euch.
    Es war das erste Mal, dass ich offen über meine Angst sprach. Wie würde Muli reagieren?
    Er blickte mich ernst an. Nach einer Pause erklärte er: Wir sind Fallschirmjäger. Das hier ist kein Hobby. Es ist ein ziemlich harter Job. Und es ist in Ordnung, Angst zu haben. Wir dürfen nur nicht zulassen, dass uns diese Angst über den Kopf wächst.
    Im Moment habe ich genau diese Befürchtung, gestand ich leise.
    Und als ob Muli genau in meinen Kopf blicken könnte, schloss er mit den Worten: Du grübelst zu viel. Mach einfach deine Arbeit. Und sorg dafür, dass ich meinen Kopf unten halte. Du weißt ja, dass ich das im Eifer des Gefechts manchmal vergesse.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich eine Nacht mit wenig Schlaf hinter mir. Ein Anruf meiner Freundin, die mir freudestrahlend zum Geburtstag gratulierte, gab mir das gute Gefühl, nicht allein zu sein. Dafür war ich unendlich dankbar. Gut gelaunt kaufte ich bei den einheimischen Händlern am Feldrand ein paar Lebensmittel und bereitete ein besonderes Geburtstagsessen vor. Schon vor Tagen hatte ich in der Feldlagerküche Nudeln und einige andere Dinge besorgt, sogar Würstchen hatte ich auftreiben können, die ich mit unserer Kühlbox bis in den Kühlschrank auf der Höhe 431 transportierte. Außerdem gab es Schokocroissants, die mir meine Freundin geschickt hatte. Und eine große getrocknete Salami. Ich wollte den anderen eine besondere Freude bereiten und versuchte mich an der Zubereitung von Nudelsalat mit Würstchen, gefülltem afghanischen Fladenbrot und kaltem Hund. Diesen Schokoladenkuchen bastelte ich aus den Keksen und der Bitterschokolade in den Notrationen. Der wackelige Plastiktisch, den ich in ein provisorisches Buffet verwandelt hatte, bog sich unter der Last des Essens. Es war eine schöne Feier, und wir lachten ausgelassen, während ich den Wachhabenden einen Teller mit Köstlichkeiten in die Sandsackstellungen brachte.
    Bereits am Nachmittag wurden wir abgelöst und ins Polizeihauptquartier gefahren. Der Konvoi mit unserer Kurzzeitablösung näherte sich in einer großen Staubwolke. Unsere Ausrüstung war bereits vorbereitet, und die Übergabe verlief schnell.
    Im Polizeihauptquartier erhielten wir eine Unterkunft, die noch provisorischer war als sonst, und richteten uns dort für die Nacht ein. Die gesamte Kompanie würde morgen auf den Beinen sein. Bis auf zwei Schützenpanzer, die an der Zufahrt zur Westplatte stehen mussten und Golf zwei auf Höhe 432 sollten alle an der Operation in Khalalzay teilnehmen. Muli hatte uns den Plan erklärt: Wir sollten am weitesten vorstoßen und Khalalzay nach Norden hin abriegeln. Der Foxtrott Zug besetzte den Westen, der Hotel Zug den Osten. Der India Zug mit den verbliebenen Schützenpanzern stand südlich und sollte die Flanke nach Nordwesten sichern. Aber während die übrigen Züge vollzählig in ihre befohlenen Bereiche ausrückten, hatten wir nur eine Gruppe zur Verfügung. Und niemand wusste, was uns im Norden erwartete. Während ich mir Kopfhörer in die Ohren steckte, um mich zu entspannen, tanzte das Kerzenlicht an der schimmeligen Decke des Schlafraumes und spiegelte meine Nervosität wider.
    Wir marschierten noch früher als beim letzten Mal ab. Die Morgendämmerung war noch nicht einmal angebrochen, als wir uns in dem dunklen Hof des Hauptquartiers versammelten.
    Wir dürfen dem Gegner keine Chance zum Reagieren geben, hatte Nossi erklärt.
    Den Weg nach Khalalzay kannten wir bereits. Bis zum Ortsrand würde unsere Gruppe hinter den anderen Zügen laufen. Erst im Dorf sollte die Aufteilung in die Bereiche beginnen. Plötzlich erwischte ich mich bei dem makabren Wunsch, dass vor uns zuerst geschossen würde und wir nicht weiter vorrücken könnten. Aber dieser Gedanke schwebte nur für den Bruchteil einer Sekunde in meinem Kopf, denn eigentlich war ich gut motiviert. Es war der Morgen nach meinem

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