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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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Waffe immer in Blickrichtung. Schwarz. Außer ein paar Büschen konnte ich nichts erkennen. Ich hörte das Drehen der Waffenanlage, Mica blickte über die Optik in Richtung Isa Khel. Während Hardy und ich durch den Sand stapften, machten sich TJ und Muli am Fahrzeug zu schaffen. Es stellte sich heraus, dass TJ rückwärts in den Stacheldraht geraten war, der am Wegrand auslag. Vermutlich von unseren eigenen Leuten dort platziert.
    Muli rief uns zu sich. Seht ihr da vorne die Stellung aus Hescos?, fragte er mich.
    Ich versuchte, etwas zu erkennen, nickte schließlich.
    Geht dort rein und sichert uns ab. Der Zug auf der Höhe schickt uns drei Mann zur Unterstützung.
    Er deutete mir an, aus welcher Richtung sie vermutlich kommen würden.
    Hardy und ich gingen zur Stellung, während TJ unter unserem Dingo lag und versuchte, den Stacheldraht zu lösen, der sich mehrmals um die Achse gewickelt hatte. Ich hörte das Scheppern von Metall, das Klingen von Werkzeug.
    Muli fluchte. Ich finde den Bolzenschneider nicht!, hörte ich ihn rufen.
    Hardy und ich leuchteten vorsichtig in die Stellung aus Hescos und bezogen schließlich im Innern Position. Plötzlich hörten wir Schritte. Männer, die sich näherten. Wir versuchten in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Mit den Kameraden von Höhe 432 war kein Codewort vereinbart worden. Als ich schließlich ein paar schemenhafte Gestalten ausmachte, waren diese bereits bis auf wenige Meter herangekommen. Ich hielt meine Waffe bereit. Stille, nur Schritte waren zu hören. Ich hörte genauer hin. Stiefel, keine Sandalen.
    Wir sollen euch hier unterstützen, sagte schließlich einer der drei.
    Prima, dass ihr da seid, gab ich zurück und senkte die Waffe. Wir sind in euren Stacheldraht gefahren, müssen den jetzt wieder von der Achse abkriegen.
    Es dauerte eine Weile, bis wir den Rückweg antreten konnten, beide Hinterreifen unseres Dingos waren platt. Bilanz unseres ersten Nachteinsatzes. Ich freute mich auf mein hartes Feldbett.
    Nach zwei Stunden Schlaf wurden wir zur Wache geweckt. TJ und ich übernahmen die eine, Mica und Hardy die andere Seite auf dem Dach des Polizeihauptquartieres. Muli setzte sich zu uns. Während die Welt um uns wieder einmal grün wurde, fing TJ leise an zu sprechen.
    Ist doch ’n Witz, dass wir hier im Polizeihauptquartier sind und trotz der ganzen Polizisten selbst Wache halten müssen.
    Ich sah zum Tor herüber. Dort sitzt doch ’ne Wache, bemerkte ich grinsend und deutete zu dem afghanischen Polizisten, der dort saß und in seinem Stuhl schlief.
    Ja, aber willst du dich auf den verlassen?, fragte Muli zweifelnd.
    Im Moment würde ich mich auf fast alles verlassen, wenn ich nur schlafen könnte, gab ich bissig zurück.
    Mit Schlafmangel kam ich überhaupt nicht gut klar. Tagsüber fiel es mir schwer, den versäumten Schlaf nachzuholen. Ich war einfach kein Nachtmensch.
    Plötzlich riss mich eine gewaltige Detonation aus meinen Gedanken. Das Gebäude vibrierte, dann Stille. Adrenalinschub. Sofort war ich hellwach.
    Hat jemand gesehen, wo das herkam?, rief Mica herüber. Anspannung lag in der Luft. Horchen in die Dunkelheit. Nichts.
    Das kam aus der Stadt!, rief Muli.
    Noch über Stunden hörten wir Schüsse. Gewehrfeuer aus Richtung Kundus. Die ganze Zeit über fragten wir uns, was dort passierte und ob wir wohl dorthin geschickt werden würden. Wir hatten schließlich Raumverantwortung. Nichts geschah.
    Später hörten wir, dass sich in einem Hotel in der Stadt ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt hatte. Eine Autobombe war gezündet worden, eine lange Schießerei die Folge. Ein Deutscher sollte unter den Opfern sein, ein privater Wachmann. In dem Hotel war das Büro einer Hilfsorganisation untergebracht.
    Die ersten Tage draußen waren eine gewaltige Umstellung. Die Hitze und der Staub machten uns allen zu schaffen, obwohl wir die rumpelnden Klimaanlagen hatten. Durch die fehlenden Fenster waren die Räume einfach nicht dicht zu kriegen. Durch jeden Spalt drangen Sand und Hitze ein. Ständig gab es Streit, weil wieder einmal jemand die Drahttüren nicht geschlossen hatte. Weil die beiden Hinterreifen wegen des Stacheldrahts immer noch platt waren, wurden wir nicht zur Fahrzeugpatrouille auf der Straße eingeteilt und mussten dafür umso öfter die Turmwache übernehmen. Die Ersatzreifen aus dem Feldlager sollten durch einen Konvoi hergebracht werden. Ich dachte an die Kameraden aus der anderen Kompanie, die dafür ihre Freizeit opfern

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