Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
mussten.
Fast alle von uns stellten sich schnell auf die neue Situation ein. Dixie-Toiletten, Notrationen, Hitze, Staub. Aber manchen konnte man deutlich ansehen, dass sie durch die neue Umgebung mehr belastet wurden als andere. Ich zog bei jeder Gelegenheit die schwitzigen Kampfstiefel aus, andere liefen nur noch mit freiem Oberkörper herum. Die meisten traf man tagsüber entweder vor dem Fernseher oder in den Feldbetten an, jede Minute wurde zum Schlaf genutzt.
Einer meiner ersten Wege hatte mich zu den Amerikanern geführt, die neben uns untergebracht waren. Da ich nicht so richtig wusste, wie ich das Gespräch eröffnen sollte, nahm ich zwei meiner Bundeswehr-T-Shirts mit. Schon in Deutschland hatte ich bei einem gemeinsamen Fallschirmspringen festgestellt, dass man mit ausländischen Soldaten am einfachsten ins Gespräch kam, wenn man etwas zum Tauschen mitbrachte. Damals waren die Amerikaner ganz versessen auf Kleidung mit den Farben Schwarz, Rot und Gold auf den Ärmeln gewesen.
Als ich den Raum betrat, saßen oder lagen fast alle auf ihren Feldbetten, ein paar putzten ihre Waffen, wieder andere hörten Musik oder unterhielten sich. Ein großer Flachbildfernseher schimmerte an der Wand. Als ich mit einem lauten »hey guys« auf mich aufmerksam machte, wurde es schlagartig still. Sie schienen überrascht zu sein, von einem deutschen Soldaten besucht zu werden. Die Stille hielt nur einen Moment, bis mich ein kräftiger Soldat mit südamerikanischen Gesichtszügen fragte, wie es mir ginge und was ich wollte.
Ich erklärte, dass ich gerne T-Shirts tauschen würde, und schnell waren ein paar gefunden, die für meine beiden gerne ihre Sport-T-Shirts hergaben. Dann luden sie mich ein, mich zu setzen, und wir kamen schnell ins Gespräch.
Sie erklärten mir, dass sie hier als Infanteristen eingesetzt waren und fast jeden Tag zu Fuß in die Dörfer gingen. Sie hätten auch schon zusammen mit den Deutschen operiert. Spätabends saß ich noch mit einigen Amerikanern am Lagerfeuer zusammen. Einer holte eine Gitarre hervor und spielte darauf. Ich selbst übte noch nicht sehr lange, konnte aber trotzdem schon einige Akkorde auswendig spielen. So wechselten wir uns ab und sangen dazu. Es war ein toller Abend, an dem ich die Widersprüchlichkeit dieser Situation kaum spürte. Auf der einen Seite der Krieg, die Zerstörung und das Leid. Und auf der anderen Seite neue Freunde, Entspannung und Musik unter freiem Himmel.
Während das Eis zu den Amerikanern gebrochen war, gestaltete sich der Kontakt zu den verbündeten afghanischen Polizisten schwieriger. Etwa zwei Dutzend von ihnen waren im Polizeihauptquartier stationiert. Aber unser Verhältnis war reserviert, wir beäugten uns gegenseitig. Unsere Übersetzer berichteten, dass einige der Polizisten bereits fünf oder mehr Sprengstoffanschläge erlebt hätten. Andere würden jede unserer Bewegungen mit dem Handy an die Dörfer im Umkreis verraten. Ich fragte mich, wie das Partnering, die Zusammenarbeit mit den einheimischen Sicherheitskräften, wohl aussehen würde.
Zu den Zivilisten vor dem Tor hatten wir dagegen schnell Kontakt geknüpft. Die vielen kleinen Buden waren nicht zufällig gerade hier errichtet worden. In bunten Farben lockten die Getränkedosen, versprachen eine Erfrischung. Als einer der Ersten stand ich am Tor und rief einen der Händler zu mir. Meine Schutzweste lastete auf meinen Schultern, und weiter als ein paar Schritte ging ich nicht hinaus. Ein freundlich grinsender Mann kam auf mich zu.
Ich neigte meinen Kopf zu einer leichten Verbeugung und begrüßte ihn mit Salam aleikum.
Der schmale Mann redete auf mich ein, obwohl ich ihm klarzumachen versuchte, dass ich kein Wort verstand. Mit Händen und Füßen verdeutlichte ich ihm, dass ich eine Palette Fanta und eine Palette Cola kaufen wollte. 15 Dollar wollte er jeweils dafür haben. Sobald es um die Bezahlung ging, schien der Mann mich deutlich besser zu verstehen. Nach einigem Feilschen besiegelten wir den Kauf mit einem Handschlag. Sollte er künftig auch Red Bull im Angebot haben, das er mir zu besorgen versprach, wäre unsere Getränkeversorgung gesichert.
Es dauerte noch ein paar weitere Tage, dann endlich war eine Firma gefunden worden, die die Dixie-Toiletten leerte und der die Bezahlung durch die Bundeswehr wichtiger war als die Sorge, dadurch zur Zielscheibe der Aufständischen zu werden. Die Männer kamen mit ihrem kleinen Lastwagen auf den Hof gefahren, als ich mit TJ Wache auf dem
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