Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
fragte, ob wir nicht einen Fußball hätten. Als Spielzeug für die Kinder. Leider hatten wir nichts dabei, was wir ihnen hätten geben können.
Sag ihnen, wir bringen einen vorbei, wenn wir das nächste Mal in der Nähe sind, bat mich Muli.
Ich war erstaunt. In Deutschland hatte er uns eingeschärft, keine Versprechungen zu machen. Man schaffe damit Verpflichtungen, die man vielleicht nicht einhalten konnte. Außerdem war mir schleierhaft, woher wir einen Fußball nehmen sollten.
Durch diese Verzögerung wurde nichts aus unserer heißen Dusche im Feldlager, die Zeit war zu knapp geworden.
Aber ich konnte ein Paket in Empfang nehmen. Meine Freundin hatte mir ein Einsatz-Unterstützungs-Paket zur Motivation gepackt, wie sie schrieb. Ich war gerührt. Nachdem sie von unserem Leben mit den Notrationen gehört hatte, kaufte sie haltbare Lebensmittel und Süßigkeiten. Dazu Feuchttücher, Deo und Seife, die ich ohne Wasser benutzen konnte. Ich musste schmunzeln, als ich daran dachte, wie sehr sie Schweißgeruch verabscheute. Sie würde es jetzt keine zwei Minuten mit mir aushalten. In einer kleinen Papiertüte befand sich ein brauner, zotteliger Schlüsselanhänger. Ein kleines Wildschwein mit Namen Trüffel. Damit du nicht so allein bist, stand auf einem kleinen Zettel.
Als Muli rief, steckte ich ihn schnell ein und rannte los.
Unterwegs erreichte uns eine Warnung vor einem Selbstmordattentäter. Nichts passierte. Dafür war ein Trupp Belgier am Rand des Dorfes Qara Yatim angegriffen worden, an dem auch wir vorbeifahren mussten.
Zurück im Polizeihauptquartier, wurden wir gleich zum nächsten Auftrag geschickt.
Alles für die Mission, bemerkte Mica seufzend.
Genau, für die Regierung auf die Körperpflege verzichten und Hardys Füße ertragen, scherzte ich.
Am meisten behinderte uns, dass wir zusätzlich zu unseren eigentlichen Aufträgen auch immer die Wache mit übernehmen mussten. Dass wir uns in einem Distrikthauptquartier der afghanischen Polizei selbst bewachen mussten, weil das Vertrauen in die Polizei fehlte. Natürlich hatten wir die moderne Technik auf unserer Seite. Hatten Zielfernrohre, gute Optiken und Drohnen in der Luft. Aber dieses Land kam mir so undurchdringlich vor. Wie ein Dickicht aus Meinungen und Zielen, aus Interessen und Vorstellungen. Verwoben und getrennt, verlockend und abstoßend.
An das ständig surrende Geräusch der Drohnen über uns hatten wir uns dagegen inzwischen gewöhnt. Diese kleinen, unbemannten Fluggeräte mit Kameras wurden vom nahen Feldlager aus gesteuert. Sie sollten uns helfen, das zu erspähen, was das Auge vom Boden aus nicht sehen konnte: Männer, die sich in Gräben versteckten, mit ihren Waffen hinter Mauern saßen oder eine Bombe vergruben. Mit Hilfe einer Infrarotkamera konnten diese Drohnen sogar nachts filmen.
Kurz vor Ende unserer ersten Raumverantwortung erreichte uns eine Meldung aus dem Feldlager. Eine Drohne habe aufgeklärt, wie sich vierzehn bewaffnete Männer in der Nähe der Straße zum Polizeihauptquartier versteckt hätten, um uns anzugreifen. Wir zogen zusammen mit dem Foxtrott Zug los. Einige Fahrzeuge mit schweren Waffen und Infanterie fuhren mit, wir dagegen mussten zu Fuß gehen. Nossis Trupp voran, marschierten wir in Richtung des Plateaus, das das Kundus-Tal begrenzt. Fast bis zur steilen Zufahrt zu dieser wenige Kilometer breiten Westplatte, wie wir den erhöhten Abschnitt bis zu den Gebirgsausläufern nannten. Dort ragte eine abweisende Steilwand aus zerklüftetem Fels empor. Durch sie wirkte das Tal mit der Stadt und dem Distrikt Chahar Darrah wie ein riesiger Suppenteller. Dort oben gab es nicht nur Dörfer, im nahen Gebirge wurden Steine abgebaut, die in der Stadt dringend als Baumaterial benötigt wurden. Deshalb fuhren hier auch viele schwerbeladene, aber altersschwache Lastwagen entlang. Mit dem plätschernden Wassergraben neben uns und den dünnen Bäumen am Straßenrand wirkte die Landschaft fast idyllisch, als wir auf die vierzehn feindlichen Kämpfer zumarschierten.
Augen auf. Alle Richtungen beobachten. Wenige hundert Meter links von uns feindliches Gebiet. Wenige hundert Meter rechts von uns feindliches Gebiet. Die Straße durchschnitt es wie mit einem Lineal gezogen. Hinter uns rumpelten die Fahrzeuge.
Als wir nur noch zweihundert Meter von der Westplatte entfernt waren, gingen wir in Stellung und beobachteten die Umgebung in alle Richtungen. Die nassgeschwitzten Hosen saugten den feinen Sand sofort auf und verschmolzen
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