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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Clair
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war? Gern sagte ich zu und grübelte darüber, warum es diesem Land so schlecht ging, wenn es hier so positive Menschen gab.
    Am nächsten Tag kam mit einem Konvoi aus dem Feldlager ein Haufen Post für uns an. Sobald über Funk eine Postlieferung angekündigt wurde, verbreitete sich diese Nachricht in Windeseile im ganzen Polizeihauptquartier. Die Spannung war immer groß, viele versammelten sich erwartungsvoll im Hof. Die Briefe waren schnell verteilt, und wie jedes Mal beobachtete ich, dass gestandene Männer zu kleinen Jungen wurden, wenn sie einen Brief von zu Hause erhielten. Die kindliche Freude der einen mischte sich mit der Enttäuschung der anderen, die leer ausgegangen waren. So schnell sich der Platz füllte, so schnell war er wieder leergefegt. Ein dicker Batzen war in meinen Händen gelandet.
    Schnell rannte ich in den Schlafraum und setzte mich auf mein Feldbett. Ich war in den letzten Wochen selbst zum eifrigen Schreiber geworden und hatte jeden Abend Briefe in die Heimat geschickt. Erzählte, dass es mir gutging und von der Hitze in diesem staubigen Land. Heute bekam ich viele Antwortbriefe. Einen solchen Umschlag in den Händen zu halten, war ein ganz besonderes Gefühl. Ich schaute nie auf den Absender, um mich überraschen zu lassen, und riss den Umschlag eilig auf.
    Lieber Johannes, meinen letzten Feldpostbrief habe ich 1943 geschrieben, das war in der 4. Klasse. Kannst Du Dir das vorstellen?
    Die darauf folgenden Worte meiner Großmutter berührten mich tief. Erreichten sie mich doch in einer Situation, in der ich mir die Frage stellte, was dieser Einsatz für mich bedeutete. Ich saß einen Moment lang da und konnte mich nicht bewegen. Hardy trat an mich heran und stieß mir gegen die Schulter.
    Ey, wir sollen los, Post zu den Höhen 431 und 432 bringen.
    Ich steckte den Brief in meinen Schlafsack und stand auf.
    Muli kam auf mich zu. Du hast doch deinen Fußball dabei, oder? Auf dem Rückweg halten wir bei dem Gehöft, das auf halber Strecke zu den Höhen liegt. Dort kannst du den Kindern den Fußball geben. Vielleicht können wir die Leute so dazu bringen, uns Infos zu geben, weil auf dieser Straße schon öfter Straßenbomben gelegt wurden.
    Ich nickte.
    Nach der Situation mit der Familie am Stadtrand hatte ich meinen eigenen Fußball eingepackt, den ich aus Deutschland mitgebracht hatte. Ich schnappte mir mein Gewehr und ging zum Fahrzeug.
    Auf dem Rückweg von Höhe 432, der uns wieder über die schmale und schlecht einsehbare Straße führte, befahl Muli anzuhalten. Als Führer der Fahrzeuge hatte er einen gewissen Handlungsspielraum und nutzte es aus, nur mit zwei Fahrzeugen unterwegs zu sein.
    Sobald wir standen, wandte sich Muli an Joel und mich.
    Joe, du nimmst den Fußball mit, und Joel kann ein paar Fotos schießen. Nicht länger als fünf Minuten, verstanden?
    Während Mica die Waffenanlage hin und her drehte, ging ich mit Joel im Schlepptau auf das Tor des Gehöfts zu. Dort steckten schon ein paar Jungen neugierig ihre Köpfe hindurch. Durch einen Spalt sah ich einen geräumigen Innenhof und ein paar Hühner, die herumliefen. Keine Gefahr.
    Salam aleikum.
    Ich wollte außerdem gleich meine neu erworbenen Sprachkenntnisse anwenden und hoffte, dass ich alles einigermaßen richtig aussprach.
    Wir sind Deutsche, wir sind Freunde, sagte ich etwas unbeholfen.
    Das Tor öffnete sich. Fünf Jungen traten heraus, der älteste vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt.
    Salam, wiederholte ich laut.
    Der Älteste trat auf mich zu und sagte etwas, was ich nicht verstand. Joel stand in der Nähe und machte Fotos, Muli blickte sich um.
    I don’t understand you, sagte ich zu dem Jungen, woraufhin alle auf mich einredeten und laut lachten.
    Sie schienen sich ehrlich zu freuen, dass wir bei ihnen angehalten hatten. Ich blickte in fröhliche Gesichter, sah grinsende Jungen, entspannte Menschen. Als sich ein junger Mann mit einem Fahrrad näherte und Muli mir erst misstrauisch ein Zeichen gab, dieser dann aber die Hände hob und von den anderen herbeigewinkt wurde, schien das Eis endgültig gebrochen zu sein. Der junge Mann gesellte sich zu uns und lachte.
    Wir hatten auch ein paar Drachen dabei, die man an einer Schnur steigen lassen konnte. Sie trugen das ISAF-Emblem der internationalen Schutztruppe und waren als offizielles Geschenk für die Kinder gedacht. Mit Händen und Füßen versuchte ich den Jungen zu erklären, wie man die Drachen benutzte. Sie deuteten mir schnell an, dass sie es

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