Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
mit der Waffenanlage auf dem Dach nach links. Auch die Fahrzeuge vor uns schossen aus allen Rohren. Ein lautes Tosen und Krachen, Trommeln und Hämmern setzte ein.
Ein Funkspruch. Feuer einstellen. Die afghanische Polizei hat Beschuss durch uns gemeldet. Ihr müsst aufpassen, wohin ihr schießt.
Es stellte sich heraus, dass die afghanische Polizei vom Polizeihauptquartier in unsere Richtung aufgebrochen war, um uns zu decken. Dabei waren sie in die Nähe der Aufständischen geraten und wurden so zur Zielscheibe unserer Waffen. Eine gefährliche Situation. Wie leicht konnte so die Zusammenarbeit beschädigt werden.
Schließlich erreichten wir verschwitzt und erschöpft das Polizeihauptquartier. Als wir vom Fahrzeug stiegen, wurde auf dem Dach des großen Gebäudes geschossen. Jenseits der Mauer, hinter dem Polizeihauptquartier, hörten wir ebenfalls Schüsse.
Hardy, Mica, kommt mit, TJ, kümmer dich um Muli, rief ich.
Wir rannten um das große Gebäude herum und sprangen mit unseren Gewehren auf die Stellungen an der Außenmauer, doch es war schon vorbei. Irgendwer erzählte uns, dass ein Auto an der Rückseite vorbeigefahren wäre und die Insassen auf das Polizeihauptquartier geschossen hätten. Aber der Hotel Zug hatte den Angriff abgewehrt. Wir blickten uns an. Die Gegner hatten uns auf der gesamten Strecke zwischen der Westplatte und hier aufgelauert. Weil die Bergung so lange dauerte, konnten sie den Angriff gut vorbereiten. Wir hatten zwei Fahrzeuge verloren, ein Zugführer war verletzt und einige hatten einen Schock erlitten. Außerdem stellte sich heraus, dass es noch einen weiteren Verletzten gab. Einer unserer Feldwebel war gerade dabei gewesen, von seinem Dingo zu steigen, als der zweite Sprengsatz explodierte. Obwohl dreißig Meter entfernt, war er von der Druckwelle zu Boden geschleudert worden und hatte sich den Rücken verletzt. Für ihn war der Einsatz beendet und für uns ein weiterer herber Verlust entstanden.
Sie hatten uns wirkungsvoll getroffen und Joel hatte die Fotos seines Lebens bekommen, eines wurde im nächsten STERN als »Bild der Woche« abgedruckt. Die Bilanz unseres ersten Gefechtes in Afghanistan.
Mica legte seine Hand auf meine Schulter. Wenn du es noch mal bedauerst, dass Joel bisher keine guten Fotos machen konnte, trete ich dir in den Hintern. Ich bin übrigens immer noch sauer, dass du meine Waffenanlage eingeweiht hast. Er grinste.
Später lief ich Mü über den Weg. Das war gute Arbeit heute, sagte er und schaute mich kurz an.
Danke, sagte ich und hatte das erste Mal ein echtes Lob aus seinem Mund gehört.
Am Abend fiel es mir schwer, einzuschlafen. Zu viele Gedanken kreisten in meinem Kopf. Ich arbeitete die Erlebnisse durch und fühlte mich nicht schlecht dabei. Es gab hier Menschen, die uns bekämpften, mit versteckten Bomben und mit Maschinengewehren. Ich war heute knapp dem Tod entkommen. Das alles fühlte sich fast normal an, denn immerhin befand ich mich im Krieg. An diesem Tag war er greifbar geworden. Ich schmeckte ihn in dem Sand, den ich bei der Explosion geschluckt hatte, und roch ihn in dem Schießpulver beim Abfeuern der Waffen.
Ich stand auf und ging in den Hof. Der Chef stand mit einigen Feldwebeln herum und blickte aufs Dach. Dort wurde gerade ein Leuchtgeschoss vorbereitet, um den Nachthimmel zu beleuchten. Er schien ebenfalls noch sehr aufgekratzt zu sein, hatte die Explosion des zweiten Sprengsatzes schließlich aus unmittelbarer Nähe mitbekommen.
Die haben mich heute angesprengt. Und jetzt zeige ich ihnen, dass wir sie beobachten, sagte er trotzig.
Mit einem gewaltigen Knall wurde das Leuchtgeschoss mit einer Panzerfaust abgefeuert. Langsam sank es an einem kleinen Fallschirm über den Dörfern zu Boden. Ein zweites wurde abgefeuert, ich hielt mir die Ohren zu. Als auch das dritte den Horizont für einen kurzen Augenblick taghell erleuchtete, hörte ich, wie der Chef herausfordernd sagte: Schmutzfuß, wir wissen, wo du wohnst!
Der nächste Tag brachte die dringend benötigte Ruhe mit sich. Muli hatte dafür gesorgt, dass wir erst wieder in den späten Abendstunden zur Wache eingeteilt wurden. Wir konnten uns den ganzen Tag lang ausruhen, Kräfte sammeln. An richtige Erholung war nicht zu denken. Wieder und wieder mussten wir unseren Kameraden von Golf zwei unsere Erlebnisse schildern. Sie waren sehr besorgt gewesen. Ich konnte mir vorstellen, wie schlimm es sein musste, das Gefecht der Freunde am Funkgerät zu verfolgen und tatenlos im
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