Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
weil er zurückgekehrt ist. Er muss für seinen »Verrat« die Verantwortung übernehmen und sollte, sofern dies möglich ist, mindestens zehn Monate warten, ehe er wieder eine Reise antritt, die länger als ein paar Tage dauert.
Lässt sich dies nicht verwirklichen, geraten Sie alle in ein schmerzliches Dilemma, aus dem es keinen Ausweg gibt. Sie können versuchen, »damit zu leben«, wie man sagt, aber denken Sie daran, dass dies auch bedeutet, »sich lebendig dazu zu verhalten« – die Familie muss sich also auf viele wechselnde Emotionen einstellen, die auf verschiedene Weise zum Ausdruck kommen werden. Das Leben in einer solchen Familie ist emotional sehr anstrengend, einen Schaden nimmt jedoch niemand davon.
Die Geschenke des Kindes
Ich schreibe Ihnen, weil ich es an der Zeit finde, den Blick auf den Zusammenhang von Psychiatrie und Kindern zu richten. Darauf, wie Erwachsene ein Kind auf eine ungesunde Art und Weise »formen«, weil sie sich über ihr eigenes Leben nicht im Klaren sind. Es ist an der Zeit, dass sich Eltern für ihre Gedanken, Taten und Handlungsmuster verantwortlich erklären und bei Entscheidungen der wahren Stimme ihres Herzens folgen. Das ist das größte Geschenk, das wir unseren Kindern für alle Zeit machen können.
Früher habe ich Ihnen schon mal über meinen 13-jährigen Sohn geschrieben, der das Asperger-Syndrom / ADHS hat, und auch darüber, was wir Erwachsene besonders von Kindern mit dieser Diagnose über sie und über uns selbst lernen können. Solche Kinder sind fantastisch darin, die gängigen Verhaltensmuster in einer Gesellschaft aufzubrechen. Denn ich denke, dass sich vor allem unser Blickwinkel ändern muss. Statt unsere Kinder zu belehren und ihnen die »Päckchen« aufzubürden, die wir mit uns herumtragen, sollten wir gut hinsehen, wenn sie uns den Spiegel vorhalten. Und Kinder mit Diagnosen oder psychischen Problemen sind fantastische »Träger« all dessen, was uns unbewusst ist. Sie spiegeln unsere alten Muster und verschlossenen Herzen in ihrem Verhalten wider. Wir sind Bestandteil einer Gesellschaft, die sich entwickelt, und wer andere verstehen will, muss erst einmal sich selbst verstehen. Deshalb ein wenig über mich selbst: Ich war das unsichtbare Kind in einer Familie, die sich entschieden hatte, mich unsichtbar zu machen. Warum? Weil ich sensibel bin und sah, dass Mama genug mit ihrer Ehe und meinen Geschwistern zu tun hatte, meinem jüngeren Bruder und meiner älteren Schwester.
Als 9-Jährige wusste ich schon, dass mein Vater untreu war, weil ich es an der Atmosphäre zwischen ihm und der Frau an seinem Arbeitsplatz spürte. Niemand redete davon, und jahrelang wusste auch niemand davon. Doch ich wusste so etwas. Ich hatte eine ausgeprägte Fähigkeit entwickelt, Stimmungen aufzufangen und zu analysieren.
Ich erinnere mich, dass ich mich schon im Kindergarten darüber wunderte, dass die Erwachsenen mit ihren Körpern manchmal etwas ganz anderes ausdrückten als mit ihrer Sprache. Ich habe früh gelernt, dass die Erde kein vertrauensvoller Ort war, und wollte man jemand vertrauen, dann vertraute man am besten sich selbst. Ich bekam so oft zu hören, dass ich anders sei als die anderen Kinder, bis ich es selbst glaubte und meine Identität in diesem Glauben entwickelte.
Sich in der Schule mit dem Tod zu beschäftigen war auch nicht sonderlich populär, und so unterzog man mich einem psychologischen Test.
Ich hatte einen Aufsatz über Selbstmord geschrieben, weil ich mehr darüber lernen wollte, was Menschen über den Tod und das Leben denken. Was Leute dazu bringt, solch eine drastische Entscheidung zu treffen. Außerdem studierte meine Mutter Kriminologie an der Uni, und so sog ich alles begierig in mich auf.
Plötzlich bekam ich zu hören, ich sei deprimiert. Ich ging zu einem Jugendpsychiater, der mir Medikamente verschrieb. Da es mir auf der Schule nicht besonders gefiel, schwänzte ich immer wieder den Unterricht und ging lieber in den Wald, um philosophische Bücher zu lesen.
Schließlich hatte ich in circa der Hälfte der Schulstunden gefehlt. Da ich aber beliebt war und gute Noten hatte und außerdem schwarz auf weiß bestätigt bekam, dass ich Depressionen hätte, wurde ich ohne Weiteres auf der weiterführenden Schule aufgenommen.
Ich hatte stets viele Freunde und war beliebt, weil ich Menschen immer gemocht habe. Sehr gemocht habe. Was ich nicht mag, sind Systeme und starre Verhaltensmuster. Ich bin eine Rebellin, die jahrelang zum
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