Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
betrachtet.
Sie haben uns wirklich einen sehr guten Rat gegeben. In unserem Gespräch haben wir ihn beherzigt. Wenn er weiter zu Hause wohnen wolle, sagten wir ihm, dann müsse er etwas zur Familie beitragen und sein Leben selbst finanzieren. Wir würden nichts mehr für ihn bezahlen. Er entgegnete, das sei in Ordnung. Er fand diese neue Ordnung gerecht. Wie seltsam, dass es so schwierig ist, das Richtige zu tun.
Mag sein, dass es das Erbe unserer persönlichen Vergangenheit ist, das die Bedingungen für unser Leben und das Leben unserer Kinder bestimmt. Ich weiß, dass es mir als Mutter besonders schwerfallen wird, Forderungen zu stellen – aber ich arbeite daran. Wir haben vereinbart, dass wir einmal im Monat ein solches Gespräch führen wollen, um zu sehen, was wir bisher erreicht haben und wie es uns dabei geht.
Das Gespräch war für ihn und mich als seine Mutter schmerzhaft und wohltuend zugleich. Ich fragte ihn, ob es etwas gäbe, das er im Leben sehr schwierig fände. Er bejahte, wollte aber nicht näher darauf eingehen. Das müssen wir wohl einfach akzeptieren. Aber natürlich haben wir ihm vermittelt, dass wir für ihn da sind, wenn er das will.
Das ist gewissermaßen alles, was wir ihm anbieten können.
Hoffentlich bleiben wir auf dem richtigen Weg!
Authentizität
… oder die Fähigkeit, die Person zu sein, die man wirklich ist, um auch andere in ihrer Einmaligkeit wahrnehmen zu können
Echt und wahrhaftig sein
Die wirkungsvollste Alternative zu Lob und Tadel in der Familie ist die echte, persönliche Rückmeldung, »Das gefällt mir, das gefällt mir nicht«, »Das mag ich, das mag ich nicht«. Handeln wir authentisch, fühlt sich das für uns selbst und unsere Kinder ganz anders an, als wenn wir Rollen spielen, zum Beispiel die des verständnisvollen Vaters oder die der konsequenten Mutter. Es reicht völlig aus, wenn wir so sind, wie wir sind, denn damit haben wir meiner Meinung nach schon genug zu tun.
Sind wir wirklich »echt« in unseren Reaktionen und Handlungen, ist das nicht nur für uns selbst viel gesünder, sondern wir stellen gleichzeitig hervorragende Rollenmodelle für unsere Kinder dar.
Denn die wesentliche Botschaft lautet: »Es ist bei uns in Ordnung, so zu sein, wie man ist.« So können wir auch echte Sparringspartner für unsere Kinder sein, weil wir uns selbst treu bleiben und uns gleichzeitig darüber bewusst sind, dass alle Menschen die Wirklichkeit unterschiedlich wahrnehmen. Unser Kind hat in einer bestimmten Situation vielleicht ein subjektives Empfinden, das dem unseren völlig zuwiderläuft. Statt das des Kindes abzuwerten, ist es wichtig, es als gleichwürdig anzuerkennen. Denn Kinder können sich nur dann gesund entwickeln, wenn sie sich nicht durch das Verhalten des anderen dumm oder schuldig fühlen oder glauben, ihr Empfinden sei falsch und es sei mit ihnen etwas nicht in Ordnung.
Die Forderung nach Authentizität in familiären Beziehungen bedeutet einen qualitativen Quantensprung, der viele Eltern in den letzten zwanzig Jahren zu Recht verunsicherte. Schließlich wuchsen sie selbst in Familien auf, in denen alles andere als Authentizität gefragt war, und so gibt es kaum Geeignetes aus der Vergangenheit, auf das sie zurückgreifen könnten. In meinen Beratungen stelle ich immer wieder fest, dass wir alle gezwungen sind, neue Wege zu finden, um die so wichtige Führungsaufgabe für unsere Kinder wahrnehmen zu können.
Noch vor einer Generation existierte ein schädlicher Konsens, dass Kinder nicht ungefragt sagen dürfen, was sie haben wollen. Das Verbot bezog sich vom Wunsch nach speziellen Speisen oder einem Spielzeug bis hin zum Wunsch, gehört oder ernst genommen zu werden – das galt in Familien wie in pädagogischen Institutionen. Authentizität hat keinen Platz in einer Gehorsamskultur, in der die Erwachsenen behaupten, zu wissen, was ihre Kinder brauchen, ihre Autorität ausspielen und sich hinter einer pädagogischen Maske verstecken. Masken machen uns unerreichbar für andere, sodass sie unsere echte, persönliche Nähe nicht spüren können.
Um unsere alten Rollen oder Masken abgeben zu können, sollten wir uns selbst zuhören, wie oft wir automatisch lehrreiche, besserwisserische oder auch hilfsbereite Kommentare von uns geben. Wie vieles davon sind wirklich die persönlichen Erfahrungen, wie viel kommt noch aus der eigenen Kindheit? Wie viel sagen wir nur, um mit dem Partner »an einem Strang zu ziehen«, wie oft wiederholen wir
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