Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
hauptsächlich von Kategorien und Diagnosen bestimmt wird. Viel zu viele von ihnen fragen nicht mehr »Wer bist du?«, sondern »Was bist du?«.
Das ist zumindest mein Eindruck. Vermutlich empfinden sie den Zugang zu ihrer Arbeit selbst ganz anders und sind (hoffentlich!) von ihrer professionellen Integrität überzeugt. Das Ironische ist ja, dass Sie und ich die Sehnsucht nach Konformität in unserem Wunsch zum Ausdruck bringen, dass auch andere das Leben auf dieselbe Art und Weise erleben mögen wie wir. Dieser Tag wird hoffentlich nie kommen!
Ihr Sohn hat für seine Art, Mensch und Mitmensch zu sein, schon einen hohen Preis bezahlt. Hoffentlich wird er als 40-Jähriger einst sein Leben betrachten und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Verlust und Gewinn feststellen können. Seine Mutter ist auf diesem Gebiet jedenfalls ein leuchtendes Vorbild.
Eine verzweifelte Mutter
Ich bin Mutter von drei Kindern im Alter von 4, 3 und 1½ Jahren – mit allen Herausforderungen und Freuden, die das mit sich bringt.
Mein Mann ist beruflich viel auf Reisen und dann immer gleich für mehrere Wochen unterwegs, um danach drei bis vier Wochen am Stück zu Hause zu sein. Unser Alltag ist weniger hektisch als der vieler anderer, die ebenfalls Kleinkinder haben. In der Regel haben wir genug Zeit, wenn wir aus dem Haus müssen, zum Kindergarten oder woandershin, und brauchen keiner bestimmten Uhrzeit nachzujagen.
Das Gefühl, das mich bedrückt, kennen vermutlich die meisten Eltern. Ich beginne jeden Tag mit den besten Absichten und nehme mir vor, den Kindern gegenüber geduldig zu sein und nicht mit ihnen zu streiten, doch habe ich jeden Abend das Gefühl, dass es mir nicht gelungen ist. Ich möchte unbedingt, dass meine Kinder es gut haben.
Das heißt nicht, dass ich sie verhätschele oder meine wahren Gefühle unterdrücke. Wenn ich sauer bin, dann merken sie es auch. Manchmal kommt es auch vor, dass mein Mann und ich unterschiedlicher Meinung sind und kleine Streitereien austragen. Ich glaube jedoch nicht, dass das Wohlergehen der Kinder deshalb beeinträchtigt ist, da wir ja nicht ständig streiten und alles immer in einem gewissen Rahmen bleibt. Meiner Meinung nach sollen sie ruhig sehen, dass Mama frustriert ist, wenn sie beim x-ten Mal immer noch nicht hören. Aber wenn es zu lange dauert, werde ich so wütend! Wenn ich erschöpft bin und bei ihnen einfach nicht durchdringe, dann schreie ich sie auch mal an und schicke sie auf ihr Zimmer. Da sie natürlich nicht freiwillig gehen, muss ich sie dorthin zerren. Manchmal packe ich sie auch hart am Arm (das gilt natürlich nur für die beiden ältesten) und spüre, während ich ihren Arm drücke, den Drang, noch fester zuzudrücken.
Wenn das geschieht, sagt meine innere Stimme: »Das ist doch Kindesmisshandlung! Du darfst deinen Kindern nicht wehtun!« Trotzdem habe ich es nicht geschafft, damit aufzuhören.
Das Wissen ist schrecklich, dass ich meine Kinder nicht respektvoll behandele und dass ich mein Verhalten nicht ändern kann, obwohl es nicht in Ordnung ist. Ich habe meine Kinder nie geschlagen und habe auch nie den Drang gespürt, sie zu schlagen. Ich bin wohl einfach sehr temperamentvoll und kann meine Gefühle nur schwer verbergen. Dass ich meine Kinder nicht schlage, ist natürlich keine Entschuldigung für mein Verhalten. Man darf Kindern keine physische Gewalt antun.
Eine typische Situation, in der ich oft die Geduld verliere, ist das Ins-Bett-Bringen. Der 2-Jährige ruft häufig noch nach uns, nachdem wir gelesen, gesungen und Gute Nacht gesagt haben. Manchmal gehe ich mehrmals hin und her. Erst versuche ich es im Guten, doch irgendwann weise ich ihn zurecht und werde richtig wütend dabei. Dasselbe passiert morgens beim Anziehen. Meine 4-jährige Tochter hat, vermutlich wie die meisten 4-Jährigen, große Schwierigkeiten, sich auf das zu konzentrieren, was sie tun soll. Es dauert oft eine halbe Stunde, bis sie fertig angezogen ist, nachdem ich ihr die Sachen mühsam über den Kopf gezogen habe. Ich habe versucht, sie einfach machen zu lassen und stattdessen beispielsweise zu sagen: »Wenn du dich jetzt nicht anziehst, dann musst du zu Hause bei Papa bleiben, und ich fahre allein einkaufen.« Aber dann ist es zu heftigen Gefühlsausbrüchen gekommen, die mindestens ebenso aufreibend und erschöpfend sind wie meine Wutanfälle.
Allerdings habe ich in solchen Fällen kein so schlechtes Gewissen, weil es mir gelungen ist, meine Emotionen unter Kontrolle zu
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