Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
der Affäre zu ziehen.
Mein Vorschlag ist, die Kinder sich langweilen zu lassen und dies guten Gewissens zu tun. Es gibt Kinder, die in einer gewissen Phase ihres Lebens oft sagen, dass sie sich langweilen. Damit meinen sie eigentlich, dass sie traurig sind oder eine Leere in sich spüren.
Wenn Kinder sich »langweilen«, empfinden sie meistens eine ganz bestimmte Unruhe in ihrem Körper. Diese Unruhe markiert den übergang zwischen dem Gefühl, ein Konsument stimulierender Angebote zu sein, die von außen an einen herangetragen werden, und der Entdeckung der schöpferischen Kreativität, die wir alle in uns tragen. Die meisten Eltern erleben, dass ein Kind, das sich langweilt, konsequent alle Vorschläge abweist, was es jetzt tun könnte. Wenn beide Seiten diesen Zustand ein wenig aushalten, dauert es selten länger als eine Viertelstunde, bis das Kind in irgendeine neue Beschäftigung vertieft ist.
Auch wir Erwachsenen kennen diese innere Unruhe, die entsteht, wenn der Terminkalender leer ist und wir plötzlich nicht mehr ständig gefordert sind. Die neuste Freizeitbeschäftigung für Jugendliche und Erwachsene lautet Shopping. Sie ist deshalb so beliebt, weil sie unsere innere Unruhe dämpft, unter anderem, weil sie das Hormon Endorphin freisetzt, das beruhigend wirkt und dem Leben somit eine oberflächliche Bedeutung verleiht.
Kinder und Jugendliche haben schon immer getan, was Erwachsene tun, und ihre Kompetenz reicht nicht so weit, als dass sie die Grenze zum Missbrauch jederzeit erkennen könnten. Diejenigen, deren Eltern dies nicht finanzieren können, landen zudem im sozialen Abseits, das sie von ihren Freunden isoliert.
Langeweile ist für den Einzelnen jedes Alters ein wichtiger Schlüssel, um zu einer besseren inneren Balance zu finden.
Wer die Geduld aufbringt, die Phase der Ruhelosigkeit zu überstehen, kommt mit einer Kreativität in Kontakt, die sehr viel mehr bedeutet als bloßes Zeichnen, Malen und Modellieren. Kreativität bedeutet, sich selbst zu spüren, sich selbst kennenzulernen und einen persönlichen Ausdruck zu finden. Kreative Phasen beinhalten auch viele reflexive, fast meditative Pausen, die wir nun nicht mehr als quälende Leere, sondern als erholsame Ruhe empfinden, die uns willkommene Gelegenheit geben, unsere »Batterien aufzuladen«.
Kreativität spielt also eine wichtige Rolle, damit Kinder ihr Selbstgefühl entwickeln und weniger abhängig davon werden, so sein zu wollen wie die anderen, um akzeptiert zu werden. Die gestärkte Autonomie führt auch zu einer größeren sozialen Kompetenz. Wenn Ihr Kind also zu Ihnen kommt und sagt, ihm sei »sooooo langweilig«, können Sie es guten Gewissens mit den Worten umarmen:
»Da bin ich aber gespannt, was dir einfällt. Viel Glück dabei!« Das steigert zwar nicht unmittelbar Ihre Beliebtheit, doch verschaffen Sie Ihrem Kind die wertvolle Möglichkeit, von innen heraus zu handeln, statt sich von äußeren Reizen lenken zu lassen.
Am besten wäre es freilich, Sie würden sich gemeinsam langweilen.
Dann würden Sie nämlich entdecken, dass Sie sich Dinge zu erzählen haben, mit denen man erst in Kontakt kommt, wenn keine äußere Ablenkung vorhanden ist und man die eigene Unruhe überwunden hat. In diesem Moment wird echte Nähe möglich – nicht nur zwischen Eltern und Kindern, sondern auch zwischen Erwachsenen.
Wir können unsere Konsumentenidentität nicht ablegen, sie aber kontrollieren und unseren Kindern helfen, dies auch zu lernen. Nicht indem wir ihnen große Vorträge wider den Konsum halten, sondern indem wir gemeinsam mit ihnen eine andere Dimension erleben, die uns eine Pause von den Erfordernissen des Alltags verschafft. Sich zu langweilen macht keinen Spaß, aber die Belohnung lässt nicht lange auf sich warten!
Ich will euch nicht mehr haben!
Wir haben eine 3-jährige Tochter, Mette, die mit Wut und Aggression reagiert, nachdem wir eine weitere Tochter, Kristin, bekommen haben, die jetzt ein halbes Jahr alt ist. Mette sagt Dinge wie: »Ich will euch nicht mehr haben! Haut ab! Ich geh von zu Hause weg!« Manchmal schreit sie aus vollem Hals »Nein!«. Oft liegt sie irgendwo und schmollt, und manchmal tritt sie sich selbst auf die Hand oder schlägt nach uns. Ein paar Monate nach Kristins Geburt fragte Mette, ob ihre kleine Schwester nicht bald wieder verschwinden würde.
Mette erfand schließlich eine Elfengroßmutter, die unter dem Wäscheständer wohnte. Mit ihr zusammen hatte sie viel Spaß, sie reisten
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