Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
doch hat sich diese Frustration als wichtiger Baustein bei der Entwicklung kindlicher Empathie erwiesen.
Die Tatsache, dass Kinder enttäuscht und frustriert sind, wenn ihre Wünsche nicht sofort erfüllt werden, bedeutet nicht, dass sie »leiden« oder irgendeinen »Schaden nehmen«. Es bedeutet nur, dass sie zornig oder traurig sind, und dies sind für Kinder wichtige, konstruktive Erlebnisse.
Sie lernen, ihre eigenen Wünsche zu gewichten und anzuerkennen, dass andere Menschen ihre eigenen Grenzen und Begrenzungen haben – wichtige Bausteine dessen, was wir heute als »soziale Kompetenz« bezeichnen.
Als psychisch kranke Mutter stehen Sie natürlich der gegenwärtigen Tendenz entgegen, Kinder im übermaß vor den eigenen Gefühlen zu »beschützen« und die kindlichen Gefühle zu problematisieren. Wenn Eltern diese Kombination aus übermäßigem Beschützerdrang und Gefühlszensur zugunsten einer farblosen pädagogischen Vernunft anwenden, haben ihre Kinder es schwer, die notwendige Lebenskompetenz zu erwerben. Lassen Sie es nicht zu, dass Ihr Selbstbild von dieser Tendenz negativ beeinflusst wird!
Es gibt eine Reihe von Dingen und Phänomenen, die dafür sorgen, dass Eltern zeitweise nur schwer zugänglich sind: Stress, Verliebtheit, Kummer, Psychopharmaka, Alkohol – um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Für die notwendige Bindung zwischen kleinen Kindern und ihren Eltern ist der innere Rückzug oder die Egozentrik der Erwachsenen ein Problem, wenn diese Eigenschaften über einen längeren Zeitraum – mehrere Tage oder Wochen – hinweg andauern.
Daher ist es besonders wichtig, dass in dieser Zeit der andere Elternteil zuverlässig zur Verfügung steht.
Das sichert das kindliche Wohlergehen, und an der Beziehung des Kindes zu dem Erwachsenen, der sich in Schwierigkeiten befindet, kann in dessen »guten Phasen« gearbeitet werden.
Wenn Sie Ihrem ältesten Kind von Ihrer Situation erzählen, könnten Sie das etwa folgendermaßen formulieren: »Du hast ja bestimmt schon gemerkt, dass ich mich manchmal etwas merkwürdig verhalte. Entweder kommst du dann nicht so gut an mich ran, oder ich fahre schnell aus der Haut. Das hat nichts mit dir zu tun, sondern liegt an der Krankheit, die ich leider habe und die ich auch nicht so leicht loswerden kann. Es ist völlig in Ordnung, wenn du deswegen traurig oder böse auf mich bist, denn egal, wie es mir geht, so habe ich dich sehr, sehr lieb! Nur manchmal geht es mir eben am besten in meiner eigenen Höhle.«
Etwas Entsprechendes können Sie auch zu Ihrem jüngsten Kind sagen, wenn es ein paar Monate alt ist.
Das Wichtigste ist, dass Sie Ihre Kinder dabei als gleichwürdig ansehen und daher in Ihrer authentischen Erwachsenensprache und Mimik zu ihnen sprechen, als würden Sie das alles zu einer guten Freundin sagen . Die Antwort beider Kinder können Sie ihrer Körpersprache entnehmen.
Ihre Krankheit ist wie ein zusätzliches Kind in der Familie. Sie erfordert einige Aufmerksamkeit und Energie, sollte aber nicht die ganze Familie dominieren. Sie wird Ihre Familie und auch Ihre Kinder prägen, aber daran gibt es an sich nichts auszusetzen. Alle Eltern prägen ihre Familien.
In meiner langen Zeit als Familientherapeut bin ich noch nie zwei Familien begegnet, die genau gleich waren, und auch noch nie einer Familie, die quasi aus dem Lehrbuch stammte, was die Ziele und Definitionen der Experten betrifft. Einer neueren Untersuchung zufolge gibt es allein in Dänemark circa 40 000 bis 50 000 Erwachsene mit nicht diagnostiziertem ADHS . Im Gegensatz zu diesen Eltern besitzen Sie den großen Vorteil, Ihre Diagnose zu kennen und zu akzeptieren.
Das verschafft Ihnen die Möglichkeit, die umfassende Verantwortung für sich zu übernehmen. Genau das brauchen Kinder, den Rest schaffen sie schon allein.
Wenn Sie darüber hinaus ein intaktes Verhältnis zu sich selbst und Ihrem Partner bewahren, dann werden Ihre Kinder ein Zuhause haben, das vielleicht nicht dem Durchschnitt entspricht, doch wird ihnen gerade das helfen, sich zu flexiblen und kompetenten Menschen zu entwickeln. Viele Kinder psychisch kranker Eltern sind hin und wieder auf Hilfe von außen angewiesen – zum Beispiel in Gruppen mit anderen Kindern.
Freuen Sie sich über diese Möglichkeit, statt sich mit schlechtem Gewissen zu plagen.
Weder Tyrann noch Opfer
Mein Sohn ist weder ein Tyrann noch ein Opfer. Doch im Moment finde ich das Zusammenleben mit ihm sehr anstrengend.
Um es gleich zu sagen: Ich
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