Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
unglaubwürdig als auch manipulierbar macht.
Darum ist es Ihnen auch peinlich, wenn andere Ihre Konflikte miterleben. Die sind tatsächlich unter Ihrer Würde und Ihrem Niveau, doch ist es nicht Ihr Sohn, der dieses Niveau etabliert hat.
Das Problem besteht nicht darin, was Sie tun oder wollen. Es ist die Art, wie Sie es tun, und wenn es so weit kommt, ist niemand von uns in der Lage, sich selbst zu sehen und zu hören.
Ich gehe davon aus, dass Sie zumindest teilweise völlig anderer Meinung sind als ich. Daher möchte ich Sie einladen, den Dialog mit mir fortzusetzen. Sie teilen Ihr Schicksal mit einer Reihe von Eltern, die Ihren Mut, Ihre Problematik zur Debatte zu stellen, durchaus zu schätzen wissen.
Auf diese Kolumne hin erhielt ich von anderen Lesern mehrere Zuschriften. Ich habe sie an die Mutter, die mir den verzweifelten Brief geschrieben hatte, weitergeleitet und möchte auch Ihnen ein paar davon vorstellen. Die Geschichte im dritten, sehr persönlichen und ausführlichen Kommentar halte ich für besonders wichtig. Ich hoffe sehr, dass die erschöpfte Mutter sich für die Meinung der Leser, die auch ich teile, öffnen konnte:
1. Kommentar: Sie wirken sehr streng, mit jeder Menge Regeln. Sie stellen Forderungen und haben klare Vorstellungen davon, welche (Ihrer) Regeln befolgt werden müssen. Und dann irritiert es Sie, wenn Ihr Sohn nicht alle diese Regeln versteht und akzeptiert. Sie sind von ihm enttäuscht, weil er Ihre Erwartungen nicht erfüllt.
Das ist ein bisschen traurig. Seien Sie nicht so beleidigt. Stellen Sie nicht für alle möglichen Dinge Regeln auf. Und haben Sie nicht so ein negatives Menschenbild. Sie reden davon, dass er »quengelt« und Ihnen seine Freunde nicht passen. Sie lassen Ihren Laptop zu Hause stehen, auf dem sich wichtige »Arbeitsdokumente« befinden, und schimpfen dann mit Ihrem 11-jährigen Sohn, der ganz bestimmt nicht weiß, was Arbeitsdokumente sind.
Er ist ein Kind, hat aber eine eigene Persönlichkeit, die wohl weniger der Ihren entspricht, als Sie es sich vorgestellt haben.
2. Kommentar: Warum sagen Sie, dass er aus einem Konflikt mit Ihnen » niemals « siegreich hervorgeht? Hat er denn » niemals « recht? Ist das Ihr Prinzip – stets recht zu behalten, auch wenn Sie sich irren? Auch ein 11-Jähriger kann recht haben.
3. Kommentar: Für mich war es sehr nützlich, Ihren Brief zu lesen. Die andere Seite der Sache zu sehen. Ich bin mit einer Mutter aufgewachsen, die dieselbe Erziehungsmethode hatte wie Sie. Meine ältere Schwester hat darauf genauso reagiert wie Ihr Sohn. Wenn die beiden ihre Kämpfe ausgetragen haben, sind die Fetzen geflogen. Als meine Schwester dann in die Pubertät kam, sind die Probleme eskaliert. Sie respektierte die Regeln überhaupt nicht mehr, kam abends nicht nach Hause, schwänzte die Schule, fing an zu trinken. Als sie 18 wurde, zog sie in eine andere Stadt, weil sie es zu Hause nicht mehr aushielt. Danach ging es ihr wesentlich besser. Sie bekam einen Job, heiratete und hat heute zwei Kinder.
Unsere Eltern sieht sie nur sehr selten, vielleicht ein paar Mal im Jahr, und wenn meine Mutter und sie länger als eine Woche zusammen sind, dann fliegen erneut die Fetzen. Sie ist eigentlich genauso wie meine Mutter, also schrecklich dominant. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sie sich dessen bewusst ist und versucht, etwas dagegen zu unternehmen.
Ich habe mich als Kind für einen anderen Weg entschieden – eine Mischung aus Unterwerfung und Distanz. Mein Leben ist später nicht sehr gut verlaufen, woran natürlich nicht allein meine Mutter die Schuld trägt. Ich habe viele schlimme Dinge erlebt, mit denen sie eigentlich nichts zu tun hat. Dennoch muss ich immer wieder denken, dass die Dinge vielleicht anders verlaufen wären, hätte ich mich als Kind mehr geliebt gefühlt und wäre so akzeptiert worden, wie ich bin. Doch bin ich von meiner Mutter nur dann akzeptiert worden, wenn ich tat, was sie sagte. Vielleicht hätte sich meine Mutter andernfalls auch besorgt über meine Entwicklung gezeigt und diese stoppen können, statt einfach froh darüber zu sein, dass ich still und in mich gekehrt wurde. Lange Zeit kam ich damit gut zurecht. In der Schule bekam ich gute Noten, hatte immer ein perfekt aufgeräumtes Zimmer, nörgelte nie am Essen herum, und wenn Besuch kam, benahm ich mich vorbildlich.
Was meine Eltern nicht wussten, war, dass ich mir heimlich die Arme aufritzte, wenn die inneren Schmerzen zu groß wurden. Als ich
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