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Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Titel: Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Juul
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unsicher, welche Forderungen sie an ältere Kinder stellen sollen, die noch zu Hause wohnen. In all meinen Jahren als Familientherapeut habe ich von frustrierten Eltern immer wieder gehört: »Er/sie glaubt wohl, in einem Hotel zu wohnen!« Daraufhin gebe ich meist die ein wenig schroff klingende Antwort, dass junge Leute dies nur tun, wenn ihre Eltern ihnen auch nicht mehr angeboten haben, als ein Hotel tut – also guten Service. Kinder kooperieren mit dem inneren und äußeren Verhalten ihrer Eltern, und wenn man als Dienstleister seiner Kinder auftritt und diese wie Gäste behandelt, dann werden sie sich nach und nach mit dieser Rolle zufriedengeben.
    Natürlich ist das in gewisser Weise zutiefst ungerecht. Schließlich lieben die Eltern ihre Kinder und lassen ihnen all ihre Fürsorge zukommen – beides Qualitäten, die ein Hotel nicht zu bieten hat. Das Problem besteht darin, dass die Liebe der Eltern auf eine Art zum Ausdruck kommt, an die Kinder sich gewöhnen. In so einer Familie haben sich die Eltern dazu entschieden, ihre Liebe in Form von Dienstleistungen zum Ausdruck zu bringen, doch Dienstleistungen haben nichts mit Liebe zu tun. Service ist Service.
    Aus Sicht der Eltern mag dieser Service durchaus von Herzen kommen, doch enthält er nicht die Nährstoffe, die Kinder brauchen, um sich gesund zu entwickeln. Mit anderen Worten: Die Absicht war gut, aber wenig durchdacht. In einer Familie mit nur einem Kind können die Eltern die anfallenden Aufgaben des Alltags ohne Weiteres allein erledigen, ohne die Hilfe ihres Kindes in Anspruch zu nehmen. Bei mehreren Kindern sieht die Sache schon anders aus. Früher sagte man, es sei gesund, Pflichten zu haben, was ebenso richtig wie falsch ist. Für Kinder ist es gesund, zu erleben, dass ihr Einsatz für die Gemeinschaft von Bedeutung ist. Pflichten um der Pflichten willen haben jedoch wenig Sinn.
    Ihr 16-jähriger war, als er noch klein war, sicher genauso hilfsbereit und darauf aus, einen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten, wie alle anderen Kinder. Doch Sie meinten, er solle lieber seinen Hobbys nachgehen, die Hausaufgaben machen, Fußball spielen und mit seinen Freunden zusammen sein. Sie wollten unbedingt einen wertvollen Beitrag zu seinem Leben leisten, haben jedoch über sehen, dass auch er das Bedürfnis hat, sich wertvoll für die Gemeinschaft zu fühlen. So ist es oft mit uns Eltern. Wir sind so darauf fixiert, was wir unseren Kindern geben können und sollten, dass wir ihr Bedürfnis übersehen, uns etwas zu geben – um ein Gleichgewicht in der Beziehung herzustellen.
    Es ist wichtig, Kindern die Möglichkeit zu geben, sich aktiv an der Gemeinschaft zu beteiligen. Sie brauchen jedoch Aufgaben und keine Pflichten aus einer pädagogischen Maßnahme heraus, um Selbstrespekt zu erlangen und um ihre Persönlichkeit, soziale Verantwortung sowie ihr Selbstwertgefühl zu entwickeln. Je jünger Kinder sind, umso wichtiger ist es, dass Eltern ihnen nicht zu viele Pflichten und feste Abmachungen abverlangen, auch wenn die Mutter oder der Vater ein großes Bedürfnis nach Struktur und Ordnung hat. Kinder sind umso hilfsbereiter, je mehr ihre Hilfe einen konkreten Sinn hat und je weniger sie als reine Pflicht auferlegt wurde.
    Wenn Kinder acht oder neun Jahre alt werden, trägt ihr Beitrag zur Gemeinschaft oft alle Zeichen des Widerwillens, doch davon sollten wir uns nicht irritieren lassen. Das bedeutet nur, dass es so vieles gibt, das sie lieber täten. Die Aufgaben, die das eigene Zuhause betreffen, sind am unattraktivsten, und das ist auch völlig in Ordnung so. Sie brauchen auch keine Lust zu haben, sollen aber dennoch weiterhin einen sinnvollen Teil zur Gemeinschaft beitragen.
    Denn auf lange Sicht hat niemand Freude daran, als Einziger in der Gruppe mit einer Freikarte unterwegs zu sein.
    Wenn die Kinder älter werden, kann man mit ihnen über die Art der Tätigkeit oder die Menge der Aufgaben verhandeln, doch ist es wichtig, dabei so konkret wie möglich seine Erwartungen zu äußern.
    Von einem 16-Jährigen kann man beispielsweise guten Gewissens verlangen, dass er sich um seine eigenen Dinge kümmert – dass er sich sein Essen oder auch das Essen für die ganze Familie zubereitet, dass er seine Kleidung in Ordnung hält (waschen, trocknen, bügeln), seiner Arbeit nachgeht oder seine Hausaufgaben macht, sein Zimmer sauber hält und für seine eigene Mobilität sorgt.
    In Ihrer Familie sind ein paar ernste Gespräche fällig, in denen Sie die

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