Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
der amerikanische Fernsehpsychologe Dr. Phil populär gemacht hat: dem Kind etwas wegzunehmen, das ihm viel bedeutet. Eine scheinbar humanere Variante des alten »Wie du mir, so ich dir«. Diese Methode ist primitiv und erspart den Eltern jegliches Schuldgefühl, weil sie glauben, der »Gerechtigkeit« Genüge getan zu haben.
Genauso argumentieren 2-Jährige im Sandkasten: »Der da hat angefangen!« Was also sollte man tun? In diesem Fall hätte ich mich zu Oscar gesetzt und ihn gefragt, was passiert ist und wie es zustande kam. Nicht um ihn zu verhören, sondern um die grundlegende Tatsache anzuerkennen, dass es bei jedem Konflikt verschiedene »Wahrheiten« gibt. Wenn ich sehe, dass der Konflikt Oscar berührt hat, kann ich mich damit begnügen, ihn zu umarmen und eventuell zu sagen: »Ja, ja, dann hast du bestimmt was dazugelernt.«
Wenn nicht, könnte ich sagen: »Jetzt habe ich es verstanden, aber ich will, dass du dich nach dem richtest, was die Betreuer im Hort sagen.« Traditionellerweise folgt noch der Zusatz: »Wenn nicht, dann …«, aber das ist eine selbstdestruktive Aussage, deren Botschaft lautet: »Ich bin mir nicht sicher, ob du mich oder meine Ansicht ernst nimmst, deshalb drohe ich dir jetzt mit etwas, vor dem du Angst hast.« Statt die eigene Autorität gegenüber dem Kind zu stärken, schwächt man sie. Und statt positive Erwartungen zum Ausdruck zu bringen, äußert man negative.
In den Erwartungen, die Erwachsene an Kinder richten, liegt viel Macht, weil die Kinder diese erfüllen wollen.
Natürlich haben Sie recht, dass Oscars Mutter eine Dummheit begangen hat, indem sie eine Strafe verhängt hat, die auch Ihren Lebensbereich betrifft, das sollten Sie ihr klarmachen. Wenn sie Ihrem Sohn Respekt vor den Grenzen anderer Menschen vermitteln möchte, sollte sie sich bemühen, ein gutes Vorbild zu sein!
Falls sie auch in Zukunft zu solchen Strafmaßnahmen greift, können Sie wohl nicht viel dagegen tun. Sie können Oscar darauf aufmerksam machen, dass Sie sich mit seiner Mutter nicht einig sind. In diesem Punkt würde Oscar also mit zwei verschiedenen Philosophien aufwachsen. Daran gewöhnen sich Scheidungskinder jedoch in der Regel ziemlich schnell, und oft wird dies zu ihrer eigenen Stärke, wenn sie später einmal selbst Kinder haben.
Kontrolle oder Vertrauen
Ich bin eine Mutter von 36 Jahren, die nicht mehr aus noch ein weiß.
Ich habe eine sich gut entwickelnde Tochter von 15½ Jahren, mit der ich in einem Konflikt liege. Sie hat einen Freund gefunden, der 18 Jahre alt, anscheinend anständig und fleißig ist und aus dem Nachbarort kommt. Meiner Tochter zufolge sind sie beide kein Paar, sondern bloß gute Freunde. Da er schon den Führerschein hat, holt er sie öfter ab und bringt sie nach Hause.
Beide sind aktive und ernsthafte junge Leute, und am Wochenende will sie ihn zu einem Abendessen begleiten, das im Kreis seiner Arbeitskollegen stattfindet.
Das Problem besteht darin, dass sie bei ihm (auf dem Sofa) übernachten will, sollte es einmal spät werden, denn sie möchte auch dabei sein, wenn er anderen Aktivitäten nachgeht, zum Beispiel Fußball spielt.
Ich habe sofort Nein gesagt und ihr den üblichen Vortrag über Sex, Schwangerschaft und so fort gehalten. Sie war sehr traurig und enttäuscht, aber auch böse, weil sie mir vorwarf, ihr nicht zu vertrauen.
Sie wiederholte, dass sie nicht mit ihm geschlafen habe und er vorläufig nur ein guter Freund sei, der sie respektiere und ihr – ohne Hintergedanken – ein aufrichtiges Interesse entgegenbringe.
Was soll ich tun? Wann darf man ein Mädchen bei einem Jungen übernachten lassen? Ich habe ihren Freund noch nicht kennengelernt, der wie gesagt aus dem Nachbarort kommt, aber ich kenne seine Familie.
Mein Lebensgefährte, der nicht ihr Vater ist, meint, ich sei zu streng, habe zu wenig Einfühlungsvermögen und würde nur dafür sorgen, dass sie sich von mir distanziert, wenn ich ihr verbieten würde, hin und wieder bei ihm zu übernachten. Er meint auch, dass ich zu wenig Vertrauen in sie hätte und ihr mit meiner kategorischen Weigerung jede Lust nehme, sich mir anzuvertrauen oder auch nur ehrlich mir gegenüber zu sein. Helfen Sie mir bitte!
Freundliche Grüße von einer verzweifelten und ratlosen Mutter
Antwort von Jesper Juul:
Ich muss Ihrem Lebensgefährten weitgehend recht geben. Ich weiß nicht, ob Sie Ihrer Tochter tatsächlich misstrauen, doch jedenfalls zeigen Sie ihr nicht das, was alle Jugendlichen in
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