Vier Zeiten - Erinnerungen
Abschluß auf einer Pressekonferenz: »Diesem Spiel muß ein Ende gemacht werden.« Strauß, der sich selbst zuweilen den letzten Preußen nannte, sprach sich für meine Nominierung als Bundespräsident aus und sagte die CSU-Stimmen dafür zu. Wie schon fünf Jahre früher bei der Wahl von Carstens ergriff wiederum er als erster die öffentliche Initiative.
Wenige Tage darauf gab Kohl unter Hinweis auf das vorangegangene bayerische Votum und nach Rücksprache mit den eigenen Gremien und einem ausführlichen Gespräch mit mir bekannt, daß die Union mich als den Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominieren werde.
Mein Amt als Regierender Bürgermeister legte ich im Fe-bruar
1984 nieder. Auf Vorschlag der Berliner CDU wählte das Abgeordnetenhaus Eberhard Diepgen zu meinem Nachfolger. Am 23. Mai desselben Jahres wählte mich die Bundesversammlung mit 832 von 1040 Stimmen zum sechsten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Am 1. Juli 1984 wurde ich in mein neues Amt eingeführt.
Abschied als Regierender Bürgermeister von Berlin im Frühjahr 1984.
Daß ich auch danach einer der ihren geblieben bin, haben die Berliner später stets empfunden, auch die zunächst enttäuschten Freunde.
Das Amt
Aber was für ein Amt war das eigentlich, das ich nun übernahm? Im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee hatte es 1948 darüber einen lebhaften Streit gegeben. Eine kräftige Minderheit hatte dafür plädiert, die Aufgaben des Staatsoberhauptes einem
Dreierkollegium zu übertragen. Aus guten Gründen setzte sie sich aber nicht durch. Denn wie soll irgendeine ernsthafte Verantwortung kollektiv wahrgenommen werden? Der Vorschlag lief darauf hinaus, das Amt im ganzen für überflüssig zu erklären, so wie es eine weit links angesiedelte Gruppe schon 1919 in der Weimarer Nationalversammlung verlangt hatte und wie es neuerdings von einzelnen Staatsrechtlern am rechten Flügel gelegentlich vertreten wird.
Man einigte sich also auf ein Amt mit eindeutig geringeren Kompetenzen als in der Weimarer Republik, aber mit der zentralen Aufgabe, befreit vom konfrontativen Tageskampf der Gruppen und Interessen eine überparteiliche konstante Mitte zu verkörpern, für Integration in der Gesellschaft zu sorgen und das Land nach außen völkerrechtlich zu vertreten.
Von Beginn an wurde es ein von den Parteien lebhaft begehrtes Amt. Zu keinem Zeitpunkt hatten Außenseiter eine reelle Chance. Nicht nur die gewählten Präsidenten, sondern in der Regel auch ihre unterlegenen Gegenkandidaten waren erfahrene und prominente Politiker, so zum Beispiel Kurt Schumacher gegen Theodor Heuss, Carlo Schmid gegen Heinrich Lübke und Gerhard Schröder gegen Gustav Heinemann. Bekanntlich hatte auch Konrad Adenauer eine von seiner Fraktion zunächst lebhaft befürwortete Kandidatur angestrebt, freilich in der irrigen Annahme, er könne quasi das Palais Schaumburg in die Villa Hammerschmidt mitnehmen.
So unscharf das Bild des Präsidenten bleibt, das die Verfassung von ihm zeichnet, so rasch und bis heute weitgehend unverändert entwickelte sich in der Praxis eine klare Vorstellung vom Amt. Seine Inhaber sollen unabhängig und überparteilich, aber durchaus nicht meinungslos fungieren. Sie sind dem Parlament keine Rechenschaft schuldig, erst recht nicht der Regierung. Nur das Bundesverfassungsgericht kann ihre Handlungen oder Unterlassungen korrigieren, sie im äußersten Fall des Amtes entheben.
Nach mancherlei wissenschaftlichen Auslegungsdisputen gibt es heute praktisch keinen ernsthaften staatsrechtlichen Streit mehr über die Kompetenzen. Der Bundespräsident übt ein formelles und ein materielles Prüfungsrecht aus, um die Übereinstimmung der ihm zur Unterzeichnung vorgelegten Gesetze mit der Verfassung zu kontrollieren. Für seine öffentlichen Äußerungen bedarf er keiner Zustimmung der Regierung. Das ist einer der Unterschiede zu den konstitutionellen Monarchien. Er hat die Befugnis, Ratschläge zu geben und sich gegebenenfalls auch kritisch abweichend von der Exekutive zu äußern. Vor allem im Rahmen seiner Aufgabe, die Bundesrepublik völkerrechtlich zu vertreten, bleibt es aber seine Pflicht, seinen Teil dazu beizutragen, daß unser Land nach außen nicht mit mehreren Stimmen spricht. Im Bereich der Außenpolitik ist der Bundespräsident am engsten mit der Regierungstätigkeit verbunden. Über den Umfang seiner durch die Verfassung uneingeschränkten völkerrechtlichen Vertretungsbefugnis hat es bei uns praktisch nie einen
Weitere Kostenlose Bücher