Vier Zeiten - Erinnerungen
einen unserer besten Beamten des auswärtigen Dienstes als Chef des Bundespräsidialamtes zu gewinnen. Während meiner ersten Amtsperiode war es Klaus Blech, zuletzt Botschafter in Tokio, während der zweiten Andreas Meyer-Landrut, der als unser Botschafter in Moskau zu mir kam. Beide kannte ich aus meiner Zeit im auswärtigen Ausschuß des Bundestages. Dort hatten sie uns Abgeordnete stets klug und kenntnisreich informiert, nicht ohne jenen kleinen Vorsprung des beamteten Herrschaftswissens für sich zu behalten, den sie vor parteipolitischer Instrumentierung schützen wollten. Mit ihrer Welterfahrung und Selbständigkeit im Denken verbanden sie auf beispielhafte Weise die überparteiliche, verantwortlich-kritische, gegenüber ihrer politischen Führung loyale operative Funktion des Diplomaten.
Mit beiden war die Zusammenarbeit für mich und, wie ich glaube, für das ganze Haus eine Freude, nicht zuletzt dank ihrer menschlichen Qualitäten und ihres Humors. Von beiden habe ich viel gelernt, natürlich auch ganz unterschiedliche Dinge. Blech verstand mehr von Heidegger und der japanischen Kochkunst, Meyer-Landrut mehr von den slawischen Völkern mit ihrer Geschichte und von der Reitkunst. Auch hatte jeder von ihnen seine ihm eigene Gepflogenheit im Umgang mit den täglichen Papierbergen. Im Arbeitszimmer von Meyer-Landrut durfte kein Aktenstück länger als fünf Minuten verweilen. Wenn dagegen ein gehaltvoller Vorgang im ganzen Amt anhaltend gesucht wurde, so fand er sich zuletzt meistens bei Blech, wo er angemessen gehütet und bebrütet wurde.
Die Leitung des Persönlichen Büros im Amt übernahm Peter Schönfeld. Auch er kam aus dem Auswärtigen Amt. Er sprach
von uns allen das schönste Französisch und Englisch. Seine Selbstlosigkeit und Treue, sein Stilgefühl und Herzenstakt vertieften innerhalb und außerhalb des Hauses jenes Vertrauen, auf das ein im Rampenlicht stehendes öffentliches Amt in so hohem Maße angewiesen ist.
Einen für mich überaus wertvollen Gedankenaustausch gab es ferner mit dem Institut für Wissenschaft und Politik in Ebenhausen bei München, das mein alter Freund Klaus Ritter zusammen mit dem Freiburger Sozialwissenschaftler Arnold Bergsträsser in den sechziger Jahren gegründet hatte. Nach dem großen Vorbild der amerikanischen Rand Corporation entwickelte es sich zum wichtigsten deutschen Zentrum für die systematische wissenschaftliche Analyse der Außen- und Sicherheitspolitik. Mit seinen Forschungsbeiträgen, denen insbesondere auch ein reger Austausch im Rahmen qualifizierter internationaler politikwissenschaftlicher Arbeit zugute kam, beriet es die Fraktionen des Bundestages und die Ressorts der Bundesregierung.
Es schlug die notwendige und längst fällige Bresche in verbreitete alte deutsche Vorurteile, welche besagten, daß die Freiheit der Wissenschaft durch eine pragmatische Zusammenarbeit mit der Politik gefährdet sei und daß die Parlamente ebenso wie die operativen Abteilungen einer Regierung der abstrakten und systematischen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht bedürften. Im Lauf der Jahre erwarb sich das Institut ein hohes Ansehen in der internationalen Welt der konzeptionellen Politikberatung. Vor allem im Ost-West-Verhältnis leistete es unschätzbare Dienste, zumal im Gedankenaustausch mit sowjetischen Politikwissenschaftlern, die ihrer eigenen politischen Führung weit voraus zu denken pflegten. Die haushaltsmäßige Anbindung des Instituts an den Etat des Bundeskanzleramtes hat seine vollkommene politische Unabhängigkeit niemals beeinträchtigt.
Es waren die Jahre, in denen der Ost-West-Konflikt einer entscheidenden Wendung entgegenging. Noch konkurrierten
die beiden einander gegenüberstehenden Systeme und Bündnisse, aber im Zeichen einer nuklearen Pattstellung, eines »stalemate system« (Stanley Hoffmann). Jede der beiden Supermächte verfügte über eine gesicherte Zweitschlagkapazität. Damit war sie geschützt, zugleich aber war ihre Rüstung als Instrument zur Lösung anstehender Probleme oder gar zur machtpolitischen Veränderung auch entwertet. Gesucht wurde nach anderen Mitteln und Wegen, um der jeweiligen Sackgasse zu entkommen.
Innerhalb eines jeden der beiden Bündnissysteme gab es bei den Mitgliedsländern unterschiedliche Akzente. Im Warschauer Pakt verstärkte sich bei den Partnerländern Moskaus das Unbehagen am Begriff des »Ostblocks«. In zunehmendem Maß bemühten sie sich, ihre Aufgaben national zu interpretieren und auf eigenen
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