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Vier Zeiten - Erinnerungen

Titel: Vier Zeiten - Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard von Weizsäcker
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Entwicklungsgebieten der Welt lernte ich als die größte soziale Herausforderung unserer Zeit kennen. Immer wieder war ich von der breitgestreuten, privaten Hilfsbereitschaft in unserer Bevölkerung beeindruckt, ganz im Gegensatz zu den oft kolportierten Parolen, man stelle sich bei uns zu Hause Entwicklungshilfe nur als die Finanzierung von goldenen Betten afrikanischer Diktatoren vor. Entwicklungszusammenarbeit ist primär Hilfe zur Selbsthilfe. Oft ist sie ein Verhältnis wechselseitigen Gebens und Nehmens, des beiderseitigen Lernens. Noch immer wird aber der Fortschritt durch die Verschuldung der dritten Welt, den
Preisverfall bei den Rohstoffen, den nach wie vor nicht überwundenen Protektionismus reicher Länder und durch maßlose Rüstungsexporte erschwert.

Die Schöpfung bewahren
    Nicht nur im Zusammenhang mit den Nord-Süd-Verhältnissen standen die Aufgaben des Umweltschutzes von meinem ersten Amtstage an ständig auf dem Programm. Die Messen der gewerblichen Wirtschaft, die jährliche Grüne Woche in Berlin, Reisen in den östlichen Bundesländern und beinahe jeder Staatsbesuch im Ausland brachten den Umgang mit der Natur auf die Tagesordnung - mit dem unterschiedlichsten Echo.
    In Malaysia oder Nigeria, in Lateinamerika und auch in den USA war der tropische Regenwald ein zentrales Thema. Niemand bestreitet, daß er das wichtigste Ökosystem auf dieser Erde ist. Die jährlich geopferten Waldflächen haben ungefähr den Umfang eines mittleren europäischen Landes. Die gerodeten Böden sind nach zwei bis drei Ernten ausgelaugt und nicht rekultivierbar. In den besuchten Ländern erhielt ich zumeist die Antwort, man sei dort ohne Hilfe und in wirtschaftlicher Abhängigkeit von uns. Wir seien es, die die Preise diktierten. Wir verlangten von ihnen die Förderung ihrer Exportkraft, damit sie ihre Schulden bei uns verzinsen und tilgen könnten. Wegen des Preisverfalls anderer Rohstoffe bleibe ihnen nur das Holz. Allgemein gilt, daß der Notleidende die Natur nicht schont. Über Vorwurf und Gegenvorwurf vergeht die Zeit. Die Vernichtung der Wälder hat absehbare Folgen für Wasserhaushalt und Weltklima.
    Bei der führenden Weltwirtschaftsmacht Amerika ist von einer Vorreiterrolle in puncto Klimapolitik zum Beispiel durch Schutzmaßnahmen im eigenen Land mit höheren Steuern auf
fossile Brennstoffe und andere umweltschädigende Produkte wenig zu spüren. Auch die Europäer bewegen sich nur im Schneckentempo. Bis hinein in meine Abschiedsrede vom Amt am 1. Juli 1994 warb ich im Hinblick auf die CO 2 -Gefahr für stärkere Steuerbelastungen bei uns und in der Europäischen Union.
    Man kann die widersprüchlichsten Erfahrungen machen. Bei einer Reise nach Malaysia wurde uns eine Fläche tropischen Regenwaldes in der Größe einiger Quadratkilometer gezeigt. Dort waren zwei verschiedene Unternehmungen aus Deutschland zu besichtigen. Die eine war ein Holzhandelsunternehmen, welches dort Bäume kaufte, fällen ließ und abtransportierte. Die andere, beinahe in Sichtweite entfernt, war ein Entwicklungsprojekt, das der Wiederaufforstung des Waldes diente, sozusagen zum Wohl europäischer Holzhändler in hundert Jahren.
    Ohne Zweifel geschieht viel in der richtigen Richtung. Umweltfreundliche Baustoffe werden entwickelt, der Energieverbrauch bei Haushaltsgeräten und Heizungsanlagen sinkt, Automobile werden leiser und im Verbrauch sparsamer. Die Umweltindustrie ist eine Wachstumsbranche. Aber noch immer muß die Allgemeinheit dort die Kosten tragen, wo der private Markt externe Folgen verursacht, die nicht im Preis enthalten sind. Das gesamtgesellschaftlich faire und schließlich auch das ökonomisch vernünftige Ziel ist es, daß die Preise selbst die ökologische Wahrheit sagen.
    Der weltweite Energiebedarf stellt uns die zentrale Aufgabe. Heute verbrauchen zwanzig Prozent der Erdbevölkerung achtzig Prozent der Energie. Undenkbar ist, daß die Bevölkerungsmehrheit in den Schwellen- und Entwicklungsländern diese ungleiche Verteilung auf die Dauer hinnimmt. Verheerend ist eine globalisierte Angleichung auf unserem hohen Niveau. Entscheidend sind Einsparungen und schadstoffärmere alternative Energien. Die Menschheit wird auf heute verfügbare Energiequellen nicht verzichten, wenn wir keinen rechtzeitigen Erfolg auf der Suche nach Alternativen haben. Eine Frage ist, wie ernsthaft wir suchen.

    Die Erde ist älter als die Menschen. Sie wird die Menschen auch überdauern. Sie wird uns Menschen beherbergen, solange wir

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