Vier Zeiten - Erinnerungen
Recht oder zu Unrecht - auf westliche Selbstbeschäftigung zurückführen, während sich die PDS vor allem kommunalpolitisch dieser östlichen Sorgen annimmt.
Im Wahlkampf der westgesteuerten Parteien, zumal der beiden großen Volksparteien, geht es aber beim Thema PDS primär um Abgrenzung gegen die PDS als einer neokommunistischen und in bezug auf die Vergangenheit unbußfertigen Kadergruppe. Läßt eine in ihrem Eifer gegen diese rote Gefahr nach, will die andere sofort gegen sie Punkte sammeln. Auch massive Machtinteressen sind im Spiel. Was dabei zu kurz kommt, sind Problemlösungen, nämlich die Alltagssorgen vieler PDS-Wähler. Auf diese wirkt die westliche Abgrenzungsstrategie fatal. Sie »erscheint«, so Konrad Adam in der FAZ, »nicht mehr als Abrechnung mit einer autoritären Partei, sondern wie eine Mißachtung der Menschen im Osten«. Zur Zeit ist es die PDS, die bei Wahlen als Partei davon profitiert.
Das Spannungsverhältnis zwischen Mittel und Ziel im Parteienkampf, zwischen Macht und Problemlösung wird es immer geben. Aufgabe der demokratischen Öffentlichkeit ist es, dazu beizutragen, daß die Glaubwürdigkeit des Parteiensystems dadurch nicht überstrapaziert wird. Im Prozeß unserer Vereinigung sollten deshalb Alltagsprobleme des Ostens auch in Westwahlkämpfen weiterhin spürbar ernstgenommen, nicht aber durch ihre Vernachlässigung den »Wir-sind-wir«-Parolen einer Ostpartei Vorschub geleistet werden.
Auch in Bonn geht es bei Staatsbesuchen manchmal stürmisch zu, wie hier beim Empfang des Präsidenten von Costa Rica 1993.
Zusammenarbeit zwischen Kanzler und Präsident
Neben meinem großen Respekt vor der außenpolitischen Leistung des Kanzlers für die Vereinigung und seinem historisch bedeutungsvollen Engagement für die Vereinigung Europas gab es bei mir also auch Sorgen und mahnende Rückfragen in bezug auf die innere Entwicklung. Zusammen mit meinen kritischen Aussagen zur Aussöhnung mit Prag, zur Finanzierung der Einheit, zum Parteienwesen und zur PDS-Problematik offenbarten sich hier einige voneinander abweichende Einschätzungen zwischen Kohl und mir. Doch hat dies die Zusammenarbeit zwischen Kanzler und Präsident nicht behindert. Gewissenhaft wurden die Verfassungsformen bewahrt, wie wir es ja auch dem Grundgesetz schulden. Wir handelten gemäß und im Interesse der Unterschiedlichkeit unserer Ämter. Eine Einmischung in die Richtlinienkompetenz des Kanzlers und in die Tagespolitik der Exekutive ist nicht Sache des Staatsoberhauptes. Ob eine Verstärkung seiner Befugnisse ratsam sei, war eine vieldiskutierte Frage. Für entscheidend habe ich sie nie gehalten. Aufgabe des Präsidenten ist es, unabhängig und überparteilich Fragen zu stellen, Anregungen zu geben, den demokratischen Konsens zu fördern und vor allem zur langfristigen Orientierung in der Gesellschaft beizutragen. Das ist eine weitreichende Kompetenz; es ist schwierig genug, sie auszufüllen.
Kohl und ich pflegten einen regelmäßigen und vertraulichen Gedankenaustausch miteinander. In Bonn sind die beiden Ämter unmittelbar benachbart und nur durch eine lange Gartenmauer getrennt. Das Protokoll benutzt für die Stelle, an der man direkt von einem Grundstück zum anderen gelangen kann, sinnigerweise den Namen »Mauerdurchbruch«. Hier konnte man sich also abholen oder die Staatsgäste voneinander übernehmen. Auf diese Weise kamen Bush und Gorbatschow, Mandela und der Kaiser von Japan, aber eines Tages auch Honecker durch den »Mauerdurchbruch« vom Präsidenten zum Kanzler.
Die Nachbarn am Rhein. Wir besuchten uns oft und führten vertrauensvolle Gespräche. Präsidialamt und Kanzleramt liegen nebeneinander, nur durch eine Mauer getrennt. Man gelangte durch den in Bonn so genannten »Mauerdurchbruch« zueinander, den sinnigerweise auch Honecker benutzte, als er von Kohl zu mir herüberkam.
Die beiden Ämter arbeiteten eng zusammen. Wichtige Mitarbeiter des Kanzlers, insbesondere Horst Teltschik und Eduard Ackermann, besuchten mich von Zeit zu Zeit zu menschlich und sachlich wertvollen Informationsgesprächen.
Natürlich gab es dann und wann unterschiedliche Akzente. Die Aufgabe war es, aus Differenzen nicht Streitfälle, sondern arbeitsteilige ergänzende Qualitäten werden zu lassen. Der britische Publizist Timothy Garton Ash, dem wir eines der wichtigsten Bücher zur europäischen Ostpolitik verdanken, hat einmal die Beziehungen zwischen Regierungschefs und Präsidenten verschiedener Länder beschrieben
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