Vier Zeiten - Erinnerungen
Jagdschloß Friedrichs II. von Hohenstaufen, Castel del Monte, zu dem mich meine italienischen Gastgeber 1991 führten, ist ein 1240 erbautes frühgotisches gewaltiges Achteck aus Sandstein.
Sieben Jahre lang gehörte ich dem Exekutivausschuß des Weltkirchenrates an, einem Kreis von ungefähr zwanzig Vertretern der Mitgliedskirchen aus aller Welt. Rund um den Globus trafen wir uns zwei- bis dreimal im Jahr für jeweils eine Woche. Unser Vorsitzender war M. M. Thomas, ein südindischer Methodist. Unser südafrikanisches Mitglied war Erzbischof Tutu, dem sein Land, nächst Mandela, am allermeisten Kraft und Mut zur Überwindung der Plage verdankt, die die Apartheid war. Bis heute hat er die Hauptlast des Versöhnungswerks mit der jüngsten Geschichte in Südafrika zu tragen.
Die russisch-orthodoxe Kirche war durch Metropolit Nikodim vertreten, den Leiter des Moskauer kirchlichen Außenamtes. Er war ein beleibter, kahlköpfiger, humorvoller und listenreicher Kirchenfürst. Bei einem gemeinsamen Bad im Meer hielt ich nach ihm Ausschau, erblickte in der Ferne aber nur einen riesigen schwimmenden Vollbart, den er beim Schwimmen wie eine Tarnwand vor sich her schob. Leider stand Nikodim zu sehr unter dem Druck seiner heimischen politischen Machthaber. Ein zentrales Thema unserer Tagesordnungen war die Unterstützung von Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte in vielen Teilen der Welt. Wenn dann Fälle von Rechtsverletzungen in der Sowjetunion zur Sprache kamen, verweigerte Nikodim jede
Diskussion. Da gebe es nichts zu prüfen, sagte er, denn Menschenrechte seien bei ihm zu Hause durch die Verfassung garantiert. Es gab allerdings auch ganz andere orthodoxe Priester, die sich nicht hinter der Ikonostase verbargen, wenn es um Unrecht ging, sondern mit großem Mut für bedrängte Menschen eintraten.
Unser geographisch fernstes Mitglied war der Erzbischof von Neuseeland. Er brachte es fertig, daß eine unserer Tagungen bei ihm zu Hause in Auckland anberaumt wurde. Bei der Ankunft auf dem Flugplatz sagte er zu unserer Begrüßung, jetzt sei der Sinn der Tagung schon erfüllt. Durch unsere lange Anreise hätten wir hoffentlich endlich verstanden, wie schrecklich es für ihn und seine Landsleute sei, immer zu diesen »verdammten« Sitzungen in das ferne Europa oder Amerika reisen zu müssen. Er hatte ja absolut recht.
Es gab Sitzungen in Addis Abeba. Die dortigen koptischen Christen waren überaus gastfreundlich. Der Kaiser Haile Selassie lud uns zum »prayer breakfast« ein. Seine Enkelin aber machte uns mit der Not und Armut in ihrem Land vertraut, ohne etwas zu verschleiern. Von Nairobi, wo es 1975 zu einer dreiwöchigen großen Vollversammlung des Ökumenischen Rates kam, fuhr ich zum südafrikanischen Christenrat, dessen weißer Generalsekretär Beyers-Naudé ein starker Fels gegen die rassistische Brandung war. Ich besuchte den damaligen südafrikanischen Ministerpräsidenten Vorster, der zunächst lauter Erklärungen zu außenpolitischen Fragen abgab, mich dann aber förmlich mit einer Bibelstelle überfiel, aus der er ein striktes Christengebot für die Rassentrennung glaubte ableiten zu können. Ich erinnere mich an kaum ein härteres und ergebnisloseres politisches Streitgespräch.
Dreimal besuchte ich im Genfer Auftrag Südkorea, einmal zusammen mit einem Kollegen aus dem Exekutivausschuß, dem ehemaligen indonesischen Generalstabschef Simatupang, einem mutigen Christen aus einer ganz überwiegend muslimischen
Gesellschaft. Unsere Aufgabe lautete, bedrängten und inhaftierten Pfarrern in Seoul zu Hilfe zu kommen. Ihre inkriminierte Tätigkeit hatte lediglich darin bestanden, den vielen notleidenden Slumbewohnern in der übervölkerten Hauptstadt so gut wie möglich zu helfen. Diese rein soziale Tätigkeit empfand die dortige Obrigkeit aber als aktive politische Opposition. Deshalb wurden die Pfarrer der verbotenen Kontakte mit Nordkorea geziehen, völlig zu Unrecht. Es war eine bewährte Methode zur Machterhaltung südkoreanischer Präsidenten, unliebsame Bürger als Kryptokommunisten zu verdächtigen. Sich gegen die nordkoreanische Propaganda abzuschirmen war gewiß notwendig. Dies aber als innerpolitisches Machtinstrument zu mißbrauchen, behinderte die Entfaltung der Demokratie in Südkorea allzulange.
Der Ost-West-Konflikt, der damals weite Teile der Welt beherrschte, prägte auch die Arbeit in den christlichen Kirchen entscheidend. Papst Johannes XXIII. hatte auf der Suche nach kirchlichen Beiträgen
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