Vier Zeiten - Erinnerungen
gebrochen. Sein Versuch, damit die Gründung der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern und Westberlin vom Westen endgültig abzutrennen, war an der westlichen Luftbrücke und der Haltung der Berliner gescheitert. Anstatt den freien Teil der Stadt neutralisieren und schließlich vereinnahmen zu können, hatte er das Gegenteil erreicht: Westberlin errang eine zentrale Aufwertung für den Allianz- und Freiheitsgedanken des Westens. Es blieb nun das wichtigste Testgebiet in allen deutschlandpolitischen Konflikten.
Nach diesen Fehlschlägen schaltete Stalin wenig später auf Friedensschalmeien Moskauer Tonart um. Mit den beiden schon genannten, berühmt gewordenen Stalinnoten schlug er im Frühjahr 1952 freie Wahlen für ein vereinigtes und neutralisiertes Deutschland vor. Doch der Westen ließ sich zu keinem Zeitpunkt auf einen Qualitätstest der neuen Vorstöße Stalins ein. Vor allem Adenauer war strikt dagegen. Heute können darüber alle Seiten in Ruhe sprechen. Damals blieb der Stachel einer scharfen Kontroverse zwischen Regierung und Opposition über eine möglicherweise versäumte nationale Option zurück. Adenauer sah sich auf seinem außenpolitischen Gipfel erst, als die Bundesrepublik 1955 als souveräner Staat in die Nato eintreten konnte. Die Politik der Stärke hatte sich durchgesetzt.
Allmählich kamen aber neue Elemente zum Vorschein. Der Kreml startete einen zweiten Entspannungsversuch. Österreich wurde in die Neutralität entlassen und von den Siegermächten geräumt. Adenauer wurde nach Moskau eingeladen und erreichte die Freilassung der überlebenden Kriegsgefangenen. Kaum ein anderer seiner großen Erfolge wurde ihm von der deutschen Bevölkerung so warm gedankt wie dieser.
Inzwischen waren aber auch die ersten atomaren Bombentests der Russen erfolgt. Unter dem Gleichgewicht des Schreckens hatte der Kalte Krieg seine dreifache Thematik erreicht: den Wettbewerb der Systeme, den Streit über Deutschland und das atomare Wettrüsten.
Es begann eine schwierige Zeit für die Außenpolitik der Bundesrepublik. Bei den Westmächten glaubte damals kaum noch jemand an eine Zustimmung der Sowjetunion zu einer deutschen Wiedervereinigung. Moskau suchte den Status quo zu befestigen, also seine Eroberungen zu legitimieren und die völlige Abhängigkeit der DDR durchzusetzen. Wie sollten unter solchen Bedingungen Entspannungsschritte zugleich mit einer für uns befriedigenden deutschlandpolitischen Perspektive verbunden werden? Ein innerwestlicher Konflikt begann sichtbar zu werden: Würde durch Entspannung eine Lösung der deutschen Frage langfristig erleichtert? Oder sei umgekehrt die Entspannung nur durch die Lösung der deutschen Frage überhaupt denkbar?
Bonn folgte einer strikten Junktimpolitik, wie sie damals genannt wurde, also keine Ost-West-Verständigung unter Ausklammerung der deutschen Frage. Die Hallstein-Doktrin wurde vorherrschend. Sie sollte das zentrale Moskauer Ziel einer diplomatischen und völkerrechtlichen Legitimierung der DDR verhindern. Es ist in der Tat schwer zu sagen, was aus dem Verlangen nach deutscher Einheit geworden wäre, falls es so etwas wie die Hallstein-Doktrin und mit ihr den Friedensvertragsvorbehalt überhaupt nie gegeben hätte.
Wahr ist aber auch, daß sie sich allmählich zu einem dogmatischen außenpolitischen Panzer entwickelte und für eine eigene aktive Bonner Ostpolitik nicht förderlich war. Die Ostpolitik der Bundesrepublik bestand nun im wesentlichen aus Westpolitik, also daraus, die westlichen Alliierten auf die Bonner Grundsätze einzuschwören.
Tatsächlich aber wollte auch keine der Westmächte mehr ernsthaft am Status quo rütteln. In den USA tauchten erste Überlegungen für ein Abkommen mit der Sowjetunion über Rüstungsbegrenzung auf. In Moskau war Chruschtschow ans Ruder gekommen. Er wollte die Anbindung der USA an die Bonner Junktimpolitik auflösen und versuchte es 1958 zunächst
mit Druck in Gestalt einer neuen schweren Berlin-Krise. Westberlin sollte eine selbständige politische Einheit ohne westalliierte Truppen werden. Am 13. August 1961 wurde auf Drängen Ulbrichts und auf Anordnung Moskaus die Mauer in Berlin gebaut. Im folgenden Jahr installierte Chruschtschow seine atomaren Raketen auf der amerikanischen Nachbarinsel Kuba.
Der gefährlichste Augenblick des Kalten Krieges war erreicht. Wie es aber manchmal in der Geschichte verläuft, wurde gerade er zum Wendepunkt. Washington erzwang den Abzug der sowjetischen Raketen aus Kuba. Eine
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