Vierbeinige Freunde
hing sehr an Kinuli, und sie erwiderte seine Zuneigung mit gleicher Münze, ständig umschmeichelte sie ihn und rieb sich an seinen Füßen. Doch kam es auch vor, daß Wassja sie wegjagte. Dann war Kinuli gekränkt und kam zu mir, um sich über ihn zu beklagen: Sie legte sich hin und miaute in ganz eigenartig langgezogener Weise. Umgekehrt beklagte sie sich auch bei Wassja über mich, und waren wir beide einmal böse mit ihr, begab sie sich zu Peri. Wassja nannte sie dafür „Petze“ und machte sich öfters einen Spaß daraus, sie zu ärgern, damit sie zu mir laufen sollte. Es sah gar zu possierlich aus, wenn sie sich beklagte! Kinuli konnte aber auch maulen. Sie quakte wie ein Frosch und blieb auf ihrem Platz, bis man sie um Verzeihung bat.
„Kinuli, mein Kätzchen, ich will’s nicht wieder tun!“ bettelte Wassja in einem solchen Falle.
Kinuli bockte wohl erst, drehte sich weg und kam dann doch wieder an.
Sie war ausgesprochen zutraulich und zärtlich. Nicht einmal das Fleisch nahm sie, bevor man sie nicht getätschelt hatte. Fremden gegenüber aber hatte sich ihr Verhalten merklich geändert. Sie fletschte die Zähne, und drehte ihr einer den Rücken zu, sprang sie ihn an. Sogar die Mieter begannen sich vor ihr zu fürchten, besonders nachdem Kinuli einmal Großmutter umgeworfen hatte.
Das war sogar für Kinuli selber ganz unerwartet gekommen. Sie hatte wohl ihre eigene Kraft unterschätzt. Die alte Frau war gerade dabei, den Fußboden zu wischen, und stand daher tief gebückt da. Kinuli sprang auf zu, und da fiel die Großmutter um. Die alte Frau schrie, Kinuli aber war selber so erschrocken, daß sie aufbrüllend ins Zimmer zurückrannte.
Am gleichen Tage machte Kinuli einen zweiten Überfallversuch. Eine Nachbarin ging an unserem Zimmer vorbei zur Küche. Die Zimmertür stand offen, und Kinuli lag auf der Schwelle. Beim Anblick der Nachbarin duckte sie sich, rutschte rückwärts und legte sich um die Ecke auf die Lauer. Der Kopf der Löwin war flach an die Erde gedrückt, die Ohren gespitzt, und die Augen verfolgten aufmerksam das erwählte Opfer. Ahnungslos nahte das „Opfer“, kam näher und näher … jetzt war es an der Tür und schon fast vorbei – da sprang Kinuli los. Die Nachbarin kreischte auf und jagte mit einer, für ihr Alter unglaublichen Schnelligkeit den Korridor entlang.
Kinuli war verdutzt. Regungslos staunend stand sie mit gespreizten Beinen da, während die Frau, zu Tode erschrocken, sich in ihrem Zimmer einschloß.
Ein andermal aber befreite uns Kinuli dafür von einem Zudringlichen.
Es war an einem Sonntag. Ich war mit einem kleinen Mädchen namens Galja allein in der Wohnung, die übrigen Mieter waren ausgegangen. Es klingelte. Galja öffnete, und ein ungefähr vierzig Jahre alter Mann mit einem Sack kam herein.
Auf meine Frage, zu wem er wolle, antwortete er, er hätte den Auftrag, hier Mäuse und Ratten zu vertilgen. Vergeblich bemühte ich mich, ihm klarzumachen, daß wir weder Mäuse noch Ratten in der Wohnung hätten und daß die Mieter erst spät heimkommen würden. Vergeblich bat ich ihn, die Wohnung zu verlassen. Nichts half. Der „Rattenfänger“ setzte sich hin und weigerte sich ganz entschieden fortzugehen. Ich wußte mir buchstäblich keinen Rat. Fortgehen und ihn allein lassen, war unmöglich. Den ganzen Tag aber so bei ihm zu stehen, das ging ja doch auch nicht.
Da erlöste uns Kinuli. Sie kam leise schleichend herein und blieb beim Anblick des Fremden reglos gespannt stehen. Ihre Raubtieraugen hafteten scharf lauernd am Gesicht des Fremden.
Der Mann wandte den Kopf und begegnete dem schweren Blick des Raubtieres. Kinuli dehnte sich und erstarb für einen Augenblick, die Zähne der halbwüchsigen Löwin blitzten … Der Mann zuckte zusammen und machte eine scheue Bewegung zur Tür hin. Die Tür war verschlossen.
„Sie brauchen keine Angst zu haben“, meinte Galja, „das ist bloß ein Löwe.“
„Ein Löwe? Ja, warum lassen Sie mich denn nicht ’raus?“ schrie da der Mann los und riß mir, ohne auch nur meine Antwort abzuwarten, den Schlüssel aus der Hand und stürzte, immer einige Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter.
Wir haben den „Rattenfänger“ niemals wiedergesehen.
Der Einbrecher
An einem anderen Tage war ich zeitiger als sonst von der Arbeit gekommen. Die Wohnungstür stand offen, und Kinuli promenierte im Korridor.
Ich war höchst verwundert. Wer hatte sie herausgelassen? Wir schlossen zwar das Zimmer nicht ab, aber alle
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